IPPNW-Forum 119/09

„ Fegt alle hinweg! Approbationsentzug 1938 “

Ausstellung zur Erinnerung an die Verfolgung jüdischer Ärztinnen und Ärzte im Dritten Reich

01.10.2009 Am 30. September 1938 wurde allen jüdische Ärztinnen und Ärzten die Approbation entzogen und damit die Berufsausübung verboten. In dieser Zäsur kulminierte eine jahrelange gesellschaftliche und berufliche Diskriminierung, Ausgrenzung, Diffamierung und Entrechtung. Jüdische Ärztinnen und Ärzte verloren Beruf, Doktortitel und Lebensentwurf. Daran erinnert nun eine Ausstellung in Nürnberg und Fürth.

Annähernd ein Viertel der jüdischen ÄrztInnen wurden während des Drittes Reichs ermordet, jeder zehnte beging Selbstmord, viele konnten emigrieren. 1938 gab es in Deutschland nur noch 3.152 jüdische Ärztinnen und Ärzte, ca. 65 % weniger als 1932. Im März 1933 waren etwa 14 % der Ärzte in Nürnberg als „nichtarisch“ eingestuft worden. Darunter Prof. Ernst Nathan, der ungeachtet seines fachlichen Renomees und seiner persönlichen Integrität aus rassischen Gründen bereits im März 1933 von seinem Chefarztposten in der Hautklinik entbunden wurde. Nach seiner unehrenhaften Entlassung praktizierte er bis zum Approbationsentzug als niedergelassener Facharzt ohne Kassenzulassung. Seiner Existenzgrundlage beraubt gelang ihm und seiner Familie im März 1939 die Emigration in die USA.

Bemerkenswert ist der hohe Anteil jüdischer Ärzte in Nürnberg bei nur 1,8 % jüdischen Bevölkerungsanteil. Mit den nun verstärkt einsetzenden Repressionen gaben 63 jüdische Kollegen bereits 1933 ihre Praxis auf, rund 6 mal soviel wie in den Vorjahren. 1937 waren nur noch 50 jüdische Ärzte privatärztlich tätig. Damit waren zu diesem Zeitpunkt 11 % der Nürnberger Ärzte von der Versorgung der allgemeinen Bevölkerung ausgeschlossen. Dies führte zu einer spürbaren Verschlechterung der medizinischen Betreuung der Bevölkerung.

Die damals erlittenen Traumatisierungen wirken bei den Überlebenden, ihren Kindern und Anverwandten bis heute nach. Wie Dr. Hanauske-Abel im Rahmen des internationalen Kongresses „Medizin und Gewissen“ im Oktober 1996 feststellte, waren im selben Jahr weniger als zwei von 1000 deutschen Ärzten jüdischen Glaubens. Nur wenige jüdische Ärzte waren nach 1945 nach Deutschland zurückgekehrt, Nachwuchs gab es kaum.

Die jetzige Wanderausstellung hat eine 20-jährige Vorgeschichte. Am 30. September 1988 hatten IPPNWler, Nürnberger Ärzte und Delegierte des 41. Bayerischen Ärztetages einen Kranz am Mahnmal der Reichsprogromnacht in Nürnberg niedergelegt. 1996 fand der erste internationale Kongress „Medizin und Gewissen. 50 Jahre nach dem Nürnberger Ärzteprozess“ statt. Vor 11 Jahren wurde auf Initiative der hiesigen IPPNW-Gruppe die Straße am Klinikum Nürnberg Nord in „Prof. Ernst Nathan Straße“ umbenannt. Vor 3 Jahren wurden der Öffentlichkeit auf unsere Anregung hin zwei Gedenkstelen an die sogenannten Nürnberger Rassegesetze am historisch authentischem Ort übergeben. Zum 70. Jahrestag des Approbationsentzuges 2008 konzipierten schließlich Ursula und Hansjürgen Ebell eine vielbeachtete Ausstellung für München. Diese konnte nun um Nürnberger und Fürther Schicksale ergänzt werden. Unter Federführung von Bernd Höffken begannen 2008 Hannes Wandt, Horst Seithe, Elisabeth und Holger Wentzlaff mit intensiven Recherchen. Die Konfrontation mit der eigenen Berufsgeschichte ging uns Aktiven dabei persönlich sehr nahe - die Folge ist eine engagierte Betroffenheit.

Die Ausstellung will anhand von exemplarischen Einzelschicksalen die damalige antisemitische Hetze und Herausdrängung aufzeigen. Erzählt wird die Lebensgeschichte von Münchener Kollegen und jetzt zusätzlich von fünf jüdischen Kolleginnen und Kollegen, graphisch gestaltet von Tobias Wittenborn. Ihre Biographien werden aus der Anonymität der Zahlen hervorgeholt und geben der Geschichte ein eindringliches Gesicht.

Erfreulich ist die großzügige Unterstützung durch zahlreiche regionale Ärztegruppen und Verbände, die Städte Nürnberg und Fürth und die AOK Bayern. Die Ausstellung ist von Juni bis Oktober 2009 an verschiedenen Orten in Nürnberg und Fürth aufgestellt. Danach kann sie auch in anderen Orten gezeigt und um deren lokale Historie erweitert werden.

 

Weitere Informationen im Internet unter :

www.jahrestag-approbationsentzug.de

www.ippnw-nuernberg.de

 

Autor: Horst Seithe

Foto: Ausstellungstafeln über verfolgte jüdische Ärztinnen und Ärzte aus Nürnberg

zurück

Navigation