IPPNW-Pressemitteilung vom 10. Dezember 2023

Humanitäre ärztliche Tätigkeit darf nicht zum Spielball politischer Interessen verkommen

Verurteilung von Dr. med. Adnan Selçuk Mizrakli

Anlässlich des internationalen Tages der Menschenrechte zeigt sich die ärztliche Friedensorganisation IPPNW Deutschland zutiefst besorgt über die Verfolgung kurdischer und türkischer Ärzt*innen in der Türkei sowie über den Zustand des türkischen Rechtssystems.

Die Ärzt*innenorganisation appelliert an die Bundesregierung, alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um die Verfolgung oppositioneller Ärzt*innen durch die türkische Regierung zu beenden und für die Achtung der Menschenrechte und ihrer Verteidiger*innen in der Türkei einzutreten.

Ein Gericht in Ankara hat am 1. Dezember 2023 die Entlassung aller Mitglieder des Vorstandes der Türkischen Ärztekammer angeordnet. Anlass für das Gerichtsverfahren ist die Forderung der Vorsitzenden und international renommierten Rechtsmedizinerin Şebnem Korur-Fincancı im vergangenen Jahr nach einer unabhängigen Untersuchung möglicher Chemiewaffeneinsätze durch die türkische Armee.

"Die gerichtlich organisierte Entlassung des gesamten Vorstandes der türkischen Ärztekammer verfolgt das Ziel die Unabhängigkeit der türkischen Ärztekammer zu zerschlagen. In den letzten sieben Jahren war die türkische Ärztekammer Gegenstand zahlreicher strafrechtlicher Ermittlungen auf der Grundlage der übermäßig weit gefassten Antiterrorgesetze der Türkei. Bekannte Mitglieder wurden inhaftiert und strafrechtlich verfolgt. Das Urteil richtet sich offensichtlich gegen die freie Meinungsäußerung und freie Berufsausübung türkischer Ärzt*innen sowie gegen die türkische Ärztekammer, die ihre medizinische Berufsausübung in einem menschenrechtlichen und sozialen Kontext sieht", betont Dr. med. Angelika Claußen, Vorsitzende der IPPNW Deutschland und Präsidentin der IPPNW Europa.

Die IPPNW Deutschland kritisiert auch die Verurteilung des türkischen Arztes und Chirurgen Dr. med. Adnan Selçuk Mizrakli scharf. Dieser wurde am 29. November 2023 in einem Berufungsprozess in der Türkei erneut zu 9 Jahren, 4 Monaten und 15 Tagen Gefängnis verurteilt. Der Vorwurf, der ihm gemacht wurde, lautet "Unterstützung einer terroristischen Vereinigung", hier der PKK. Seine Tat: Er habe einen PKK-Kämpfer operiert und nicht an die Sicherheitskräfte ausgeliefert. Abgesehen davon, dass die dafür herangezogene Zeugenaussage nachweislich unglaubwürdig war, hat Dr. med. Mizrakli nur seine ärztliche Pflicht getan und ist den ethischen Prinzipien für Heilberufler*innen gefolgt.

"Solche Gerichtsurteile erfordern einen Aufschrei internationaler Ärzteverbände und Fachgesellschaften. Durch derartige Repressionsmaßnahmen werden unsere humanitären ärztlichen Prinzipien und unser Recht auf freie Berufsausübung zerstört. Diesem gefährlichen Trend sollte die internationale Ärzt*innenschaft geschlossen und eindeutig entgegentreten. Wenn solche Angriffe auf unseren ärztlichen hippokratischen Eid nicht gestoppt werden, befürchten wir eine Medizin ohne Menschlichkeit. Ärztliche Handlungen könnten zum Spielball herrschender politischer Interessen verkommen. Daran dürfte niemand Interesse haben", erklärt die Türkeibeauftragte Dr. med. Gisela Penteker.

Der kurdische Chirurg Dr. med. Adnan Selçuk Mizrakli war Vorsitzender der Ärztekammer Diyarbakir und zuletzt Oberbürgermeister der Stadt. Er wurde nach den letzten Kommunalwahlen durch einen staatlichen Zwangsverwalter ersetzt und kurz danach verhaftet.

 

Kontakt:

Frederic Jage-Bowler (Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit), jagebowler[at]ippnw.de, 030 698074 15

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