IPPNW-Pressemitteilung vom 10.01.2023

Unabhängigkeit der türkischen Ärztekammer bedroht

Vorsitzende der türkischen Ärztekammer sowie dessen gesamter Vorstand erneut vor Gericht: IPPNW fordert Bundesregierung zum Handeln auf

Anlässlich der anstehenden Prozesse gegen die Vorsitzende der Ärztekammer in der Türkei, Prof. Şebnem Korur Fincancı, am 11. Januar 2023 sowie gegen den gesamten Vorstand der türkischen Ärztekammer (TTB) am 10. Januar 2023, appelliert die Ärzt*innenorganisation IPPNW an die Bundesregierung, alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um die Verfolgung oppositioneller Ärzt*innen durch die türkische Regierung zu beenden und für die Achtung der Menschenrechte und ihrer Verteidiger*innen in der Türkei einzutreten. Die Verantwortlichen der türkischen Regierung müssten aufgefordert werden, die Verfahren gegen Prof. Korur Fincancı und den TTB einzustellen und alle Inhaftierten freizulassen.


„Die Festnahme von Prof. Korur Fincancı und die gerichtlich organisierte Zwangsentlassung des gesamten Vorstandes der türkischen Ärztekammer stehen in einem engen Zusammenhang. Wie Fincancı sieht der gesamte Vorstand der Ärztekammer ihre medizinische Berufsausübung in einem menschenrechtlichen und sozialen Kontext. In den letzten sieben Jahren war die türkische Ärztekammer Gegenstand zahlreicher strafrechtlicher Ermittlungen auf der Grundlage der übermäßig weit gefassten Antiterrorgesetze der Türkei. Bekannte Mitglieder wurden inhaftiert und strafrechtlich verfolgt“, betont Dr. med. Angelika Claußen, Vorsitzende der IPPNW Deutschland und Präsidentin der IPPNW Europa. „Nach den Verhandlungstagen am 23. und 29. Dezember 2022 befürchten wir, dass weiterhin kein faires „rechtsstaatliches Verfahren“ gegenüber Prof. Fincancı und den anderen Vorstandsmitgliedern der Ärztekammer gewährleistet ist. Der Prozess ist offensichtlich gegen die freie Meinungsäußerung und freie Berufsausübung gerichtet – mit dem Ziel, die Unabhängigkeit der türkischen Ärztekammer zu zerschlagen.“


Şebnem Korur Fincancı war Ende Oktober wegen des Vorwurfs der Propaganda für eine terroristische Vereinigung festgenommen worden. Sie hatte eine unabhängige Untersuchung eines möglichen türkischen Einsatzes von chemischen Waffen in Kurdistan gefordert. Mittlerweile erhebt die Staatsanwaltschaft in Ankara eine Zivilklage gegen den gesamten Vorstand der türkischen Ärztekammer. Der Rücktritt des Vorstandes soll mit fragwürdigen juristischen Begründungen durchgesetzt werden. Gegen den TTB-Vorstand erhebt die Staatsanwaltschaft in Ankara den Vorwurf, alle Vorstandsmitglieder seien Mitglieder einer terroristischen Organisation.


„Dieser Prozess ist ein weiteres Beispiel dafür, wie die türkischen Behörden gegen kritische Stimmen im Land vorgehen. Schon nach dem ersten Prozesstag war klar, dass sich der Prozess gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung und freie Berufsausübung richtet. Deshalb muss das Verfahren beendet und Prof. Korur Fincancı sofort freigelassen werden!“, so Claußen weiter.


Fünf Sonderberichterstatter*innen der UN hatten die Türkei bereits Anfang November aufgefordert, die verhaftete Präsidentin der Ärztekammer unverzüglich freizulassen und Antiterrorgesetze nicht als Mittel der Einschüchterung zu verwenden. Der Weltärztebund (World Medical Association, WMA), mehrere deutsche Ärztekammern, die British Medical Association (BMA), die American Medical Association (AMA), der Ständige Ausschuss der Ärzte der Europäischen Union (Comité Permanent des Médecins Européens, CPME), der International Rehabilitation Council for Torture Victims (IRCT), die Physicians for Human Rights (PHR) und viele andere Organisationen teilen die Einschätzungen und Forderungen.

 

Weitere Informationen:
https://www.ippnw.de/commonFiles/bilder/Frieden/2022_IPPNW_Report_on_possible_Turkish_CWC_violations_in_Northern_Iraq.pdf


Kontakt:
Lara-Marie Krauße (Pressesprecherin IPPNW), 030 6980 7415

 

 

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