Die Entscheidung Kenia wirklich als meinen Erstwunsch für f&e anzugeben, habe ich beim Auswahltermin getroffen. Als am Tag darauf die Mail mit der Zusage kam, war klar, dass mir ein ereignisreicher und intensiver Sommer bevorstand. 10 Wochen in Kenia, unzählige Erinnerungen, neue Sichtweisen und liebgewonnene Freund*innen und Bekannte später, sitze ich wieder in Leipzig und blicke schon jetzt ungläubig zurück auf diese Zeit.
Während der gesamten Vorbereitung (und auch für die Zeit in Kenia) habe ich bemerkt, wie froh ich war, mit Vivian eine Weggefährtin für das f&e-Programm an meiner Seite zu haben. Wir haben uns gemeinsam entschieden, die Famulatur in Kilifi, einer Stadt im Osten des Landes, direkt am Indischen Ozean zu absolvieren. Untergekommen sind wir bei Iwaret, einer Ärztin, die bereits aus den letzten Jahren Erfahrungen mit den f&e-Austauschstudierenden hat. Da sie aus persönlichen Gründen mehrere Wochen in Nairobi sein musste, haben wir leider viel weniger Zeit mit ihr verbringen können als erhofft. Netterweise hat sie uns ihre Wohnung überlassen und war immer erreichbar. Auch in der ersten Zeit, in der die Verwirrung am größten war, hat Iwaret uns unterstützt, z.B. bei unserem 1. Tag im Krankenhaus. Bei dem Krankenhaus handelt es sich um das Kilifi District Hospital, das größte Krankenhaus zwischen Mombasa und Malindi. Es ist eine öffentliche Einrichtung in einer eher armen Region Kenias, sodass fehlende Ressourcen, zu wenig Personal und einkommensschwache Patient*innen an der Tagesordnung waren.
Sowohl in der Gynäkologie und Geburtshilfe als auch in den beiden pädiatrischen Abteilungen bin ich an meine persönlichen Grenzen gekommen, habe mich gelangweilt, Neues gelernt, Fragen gestellt und welche gestellt bekommen und viel gelacht. Rückblickend betrachtet bin ich froh über diese intensiven Erfahrungen, auch wenn es mir während der Famulatur nicht immer so ging. Nur wenige Patient*innen wollten oder konnten Englisch reden und auch mit dem Personal musste ich immer wieder Gespräche auf Englisch, Erklärungen und Aufgaben einfordern. Fast alle diese Herausforderungen für Famulierende kenne ich aber auch aus Krankenhäusern in Deutschland. Grundsätzlich konnte ich mir die Abteilungen selber aussuchen, bei allem zuschauen, selber ausprobieren, auch mal früher gehen und habe eher Aufgaben abgelehnt, bei denen ich mir nicht kompetent genug vorkam. Auch das war überhaupt kein Problem. Ich bin froh, so viele verschiedene Bereiche kennen gelernt zu haben, würde aber vielleicht eher empfehlen, vorrangig in einem Bereich zu sein, da es einige Tage dauert, bis man bei allen bekannt ist und auch mal mitgenommen wird. Jeweils zum Ende der zweiten Woche habe ich mich in in der Geburtshilfe und der Pädiatrie am wohlsten gefühlt.
An den Nachmittagen und Abenden haben Vivian und ich häufig die Erfahrungen des Tages diskutiert, in Cafes oder am Strand rumgehangen oder ein bisschen Zumba zur Playlist unserer Gastgeberin getanzt. An den Wochenenden haben wir Ausflüge zu anderen Küstenabschnitten oder ins Landesinnere gemacht. Es hat mir viel Gelassenheit und neues Gedankenfutter gegeben, dass ich mit Vivian alle Themen von „Ist das jetzt rassistisch“ oder „Bin ich arrogant, wenn mich dieses oder jenes nervt?“ zu „Verrückt, das ist genau wie in Deutschland“ frei ansprechen konnte. Asante sana!Dann waren die 4 Wochen des Praktikums bereits um und wir saßen mit Henna-Tattoos aus Mombasa ausgestattet im Zug nach Nairobi.
Dieses Jahr war der engagieren-Part von f&e für Kenia anders als bisher. Medizinstudierende der Kenyatta University Nairobi haben zusammen mit Franca aus Deutschland ein mehrwöchiges Programm zu den Themen Disarmement und Urban Settlements entworfen. So wie es in Kenia häufiger der Fall ist, war von diesem Plan nur wenig übrig, als wir in Nairobi ankamen. An den meisten Tagen sind wir aufgewacht und wussten noch nicht, welche NGO oder welches Memorial wir heute besuchen würden. Auch wenn es etwas Gewöhnung gebraucht hat, konnte ich dieser Spontanität und Flexibilität viel abgewinnen. Die ganzen Planänderungen und das ganze im Staustehen auf Nairobis Straßen ließen viel Raum für spannende Gespräche, eigene Gedankengänge, selbst gewählte Recherchen, eigene Vorschläge für Aktivitäten und jede Menge Spaß mit anderen Studierenden. (Also all das, was z
umindest mein Medizinstudium so dringend verhindern will.)
Ich bin froh, über die Freiheit, die uns für f&e gewährt wurde, da ich sicherlich noch länger mit diesem Austausch beschäftigt sein werde. Mich persönlich haben vor allem die Informationen zur (fehlenden) Mental Health-Versorgung in Kenia sehr bewegt. Wir haben das Mathare Hospital, das einzige psychiatrische Krankenhaus in Kenia, besucht und mit dem Klinikdirektor der Psychiatrie geredet, sind mit Community Health Workern durch Kibera gegangen und habe studentische Awareness-Abende zu Mental Health besucht. Ich könnte noch ewig über famulieren & engagieren in Kenia schreiben, die Kurzfassung ist: es war eine fantastische Erfahrung. Vielen Dank.
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