Kosovo, eines der vielen Projektländer von f & e, wunderschön, klein und der jüngste Staat Europas, hatte ich bis zum Auswahltreffen gar nicht bedacht. Aber schon dort wurden die Balkanländer so sehr angepriesen, dass es spätestens da verlockend erschien, sich auch auf den Balkan einzulassen und zu bewerben. So war es dann immer noch eine Überraschung, aber nicht mehr ganz so unerwartet als es für mich hieß: Auf in den Kosovo!
Anreise
Ich entschied mich für eine Anreise mit dem Bus. Da ich aus Deutschland zum vorgeschlagenen Anreisetag keine Direktverbindung nach Prishtina gefunden hatte, beschloss ich erst nach Serbien und dann von dort nach Prishtina weiterzureisen. Kaum hatte ich den Bus betreten, war ich gefühlt schon in einem ganz anderen Land. Sobald die anderen Mitfahrer den Bus erreichten, wurde die deutsche Sprache abgelegt und nur noch auf serbisch gesprochen, meine Sitznachbarin und ich kommunizierten nur noch mit Gestik und Mimik, und selbst die Busansagen waren auf serbisch. Für mich war das genau der richtige Einstieg, denn ich musste schließlich auch noch die nächsten zwei Monate damit zurecht kommen, dass ich von dem Gesprochenen kaum etwas verstehen würde.
In Belgrad angekommen überforderte mich der Busbahnhof mehr als erwartet und in einem leichten Panikanfall fragte ich eine meiner Mitfahrerinnen, ob sie mir den Weg zum Schalter zeigen könnte. Sie war mehr als hilfsbereit und half mir sogar noch beim Ticketkauf, so dass ich schon eine halbe Stunde später im Bus nach Prishtina saß.
Famulatur
Meine Famulatur habe ich in der Pädiatrie des städtisches Krankenhauses „QKUK“ gemacht. Im Prinzip ist die Pädiatrie ein eigenständiges Krankenhaus für sich, von den anderen Abteilungen bekommt man in dem Gebäude recht wenig mit. Aber dafür hat die Pädiatrie auch genug eigene Stationen. Angefangen habe ich auf der Intensivstation, die für deutsche Verhältnisse doch eher mäßig gut ausgestattet ist. Allein die Sauerstoffsättigung zu messen, hat sich als schwierig bis unmöglich herausgestellt, da die dazu nötigen Geräte nicht funktionierten. Allerdings hatte die Intensivstation auch nie sehr viele Patienten, so dass man den Kindern, die da waren, zumindest viel Zeit widmen konnte. Bei 5 Ärzten auf 2 Kinder, wurde jeder neue Patient gleich von einer kleinen Horde aus Ärzten und Krankenschwestern empfangen. Nach ein paar Tagen wechselte ich dann auf die Hämatoonkologie der Pädiatrie, wo weitaus mehr Patienten waren. Auch hier waren die Verhältnisse noch weit vom deutschen Standard entfernt, aber alle haben sich sehr herzlich um die kleinen Patienten und ihre Angehörigen bemüht. Vor meiner Zeit im Kosovo wäre ich nie auf die Idee gekommen, jemals auf einer Onkologiestation ein Praktikum zu machen. Aber dort hat es sich einfach so ergeben und bereue es nicht, dort gewesen zu sein. Natürlich waren viele Schicksale sehr traurig, aber es war auch auf vielen anderen Ebenen sehr interessant und lehrreich.
Immer wieder haben mich auch Ärzte oder Freunde dazu eingeladen, in andere Stationen und Nachtschichten reinzuschnuppern, so dass ich auch an zwei Tagen im Abdomen-OP dabei sein durfte und bei einer Nachtschicht in der Gynäkologie und auch einmal bei einer Nachtschicht in der Pädiatrie. Gerade an den Tagen habe ich besonders viel mitgenommen, da man noch einmal einen tieferen Einblick bekommen hat.
In den Pausen und Zeiten ohne Arbeit, von denen es doch auch reichlich gab, bin ich gerne mit den Assistenzärzten Kaffee trinken oder eine Kleinigkeit essen gegangen und habe so noch viele Geschichten und Einblicke ins Land zu hören bekommen.
Action for Mothers and Children
Ein Sozialprojekt in den Balkanländern zu finden, ist gerade in den Sommermonaten eher schwierig. Daher war ich sehr dankbar, dass ich bei Action for Mothers and Children auf anraten von Klara (meiner Vorgängerin) und Ilirjana, arbeiten durfte. Dies ist eine NGO, die sich für Kinder und Frauen einsetzt. Ein Großteil der Arbeit besteht natürlich darin, Spenden zu organisieren, um die verschiedenen Projekte zu finanzieren. Zum Beispiel haben sie die Inkubatoren auf der Neonatologie gespendet oder spenden auch das Surfactant für die Frühlinge.
Aber sie haben auch langfristigere Projekte. Zum Beispiel veranstalten sie wöchentlich stattfindende Kurse in Krankenhäusern, um die schwangeren Frauen auf die Geburt und weitere Versorgung ihres Kindes vorzubereiten. Außerdem bieten sie kostenlose PAP-Tests an.
Meine Aufgabe bestand vor allem darin, die aus den verschiedenen Projekten gewonnenen Daten in Exceltabellen zu bringen und auszuwerten. Und ab und zu stand auch ein Besuch in der Klinik zu den Kursen und zu den PAP-Tests an.
Freunde
In meiner Zeit im Kosovo habe ich einige Menschen kennen gelernt, die mir sehr ans Herz gewachsen sind. Wann immer wir Zeit hatten, haben sie mir Prishtina und den Kosovo näher gebracht. So war ich auch mehrmals bei Familien zum Essen eingeladen, habe von einem der Anästhesisten eine Führung durch seinen Heimatort bekommen und wurde überall mit offenen Armen empfangen.
Viel Zeit verbrachten wir nachmittags auch damit, die verschiedenen Cafes der Stadt auszuprobieren, von dem eins besser ist als das andere, denn vom Kaffee im Kosovo kann man einfach nicht genug kriegen.
Reisen
Besonders faszinierend ist das Reisen auf dem Balkan. Mit dem Bus kommt man fast überall hin, man muss nur schauen, dass man gerade nach Serbien die Einreisebestimmungen berücksichtigt. Mit Franzi, Hannah und Lena, den anderen drei Freiwilligen auf dem Balkan, habe ich viel unternommen. So war ich sowohl in Mazedonien bei Hannah, als auch in Sarajevo bei Lena und zu guter Letzt noch in Belgrad bei Franzi. Die Belgradreise haben wir direkt mit der Europäischen IPPNW-Konferenz kombiniert, da diese genau in unserer Reisezeit in Belgrad stattfand.
Außerdem hat Franzi uns noch ihr Sozialprojekt gezeigt, eine Anlaufstelle für durchreisende Flüchtlinge. Das hat mich sehr beeindruckt, da ihr Projekt so viel sinnvolles beinhaltet hat, dass es mir sehr schwer viel, wieder zurück nach Prishtina zu gehen und in meinem Projekt weiter zu arbeiten.
Spannungen
Kosovo oder gar den Balkan kann man nicht beschreiben ohne die Spannungen zu erwähnen, die zwar vielerorts nicht mehr direkt sichtbar, aber doch noch unterschwellig da sind und vielleicht gerade in den aktuellen politischen Ereignissen wieder sichtbarer werden. Ich habe unglaublich viele Menschen auf den Krieg angesprochen, auf die Sicht ihrer Dinge und war erstaunt, wie bereitwillig sie geantwortet haben. Ein jeder hatte seine Last zu tragen, viele habe Angehörige verloren. Immer wieder wurde betont, dass man die Serben nicht hasse, aber dass es schwer sei zu vergessen.
Und trotz allem oder gerade deswegen hatten alle einen großen Stolz auf die eigene Herkunft, auf die ethnische Zugehörigkeit der Kosovo-Albaner. Beispielsweise wurde mir die Geschichte der Albaner von ihren Anfängen an beigebracht und wer alles aus der Weltgeschichte Albaner gewesen sein soll, alte Grenzen wurden erklärt und versucht zu erklären, warum ein Großalbanien zumindest eine Option für die Zukunft sein sollte. Vieles war interessant, manches konnte man aus deutscher Sicht nicht nachvollziehen, aber vielleicht muss man das ja auch gar nicht.
Aber trotz diesen Stolzes auf die eigene Herkunft träumen unglaublich viele davon auszuwandern, am liebsten nach Deutschland, in die Schweiz oder nach Amerika. Das liegt an vielen Dingen. Zum einen an der hohen Arbeitslosigkeit, die sich noch dadurch verschlimmert, dass Kosovo eine sehr junge Bevölkerung hat, die nach ihrer Ausbildung alle auf den Arbeitsmarkt drängen. Zum anderen aber auch sicher an der Ausweglosigkeit in der Politik. Kaum einer vertraut den Politikern noch, Korruption ist dort an der Tagesordnung und dringend notwendige Verbesserungen, wie z.B. eine Krankenversicherung, werden schon lange versprochen, aber doch nie umgesetzt.
Und gerade deswegen hat es mich beeindruckt, dass ich so viele Menschen kennen gelernt habe, die so viel Energie haben und Ziele und Hoffnungen darin, dass die neue Generation vielleicht doch einmal einen Wandel hervorrufen und den Kosovo aufblühen lassen wird.
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