15.09.2010 Nach dem Scheitern des Klimagipfels in Kopenhagen hatte der Präsident Boliviens, Evo Morales, zu einer Klimakonferenz der Völker der Welt nach Cochabamba eingeladen. Dr. José Ramírez Voltaire war mit dabei. Weit über 35.000 Personen aus 140 Ländern aller Kontinente waren im April nach Bolivien gefahren. Neben NGOs und Einzelpersonen waren auch Delegationen von 56 Regierungen und Vertreter/innen aus christlichen Organisationen anwesend.
Es waren jedoch vor allem die Betroffenen, die hier ein Forum bekamen, sei es der besorgte Vertreter eines Inselstaats im Pazifik, dessen Heimat in wenigen Jahren vermutlich im Meer versinkt. Oder die Aymara-Frau aus dem Hochland Boliviens, die ihre Familie früher vom Fischfang ernähren konnte, aber am Ufer eines Flusses lebt, dessen Wasser nun kontaminiert ist.
Die Atmosphäre der Konferenz war geprägt von dem Ziel, einen Konsens zu erreichen. In den 17 verschiedenen Arbeitsgruppen wurde partnerschaftlich diskutiert, in einer nicht technokra-tisch, sondern für alle verständlichen Sprache. Von den vielen Themen und Ergebnisse seien hier nur einige beispielhaft genannt.
So kam der Arbeitskreis 1 zu dem Ergebnis, dass in der globa-lisierten Welt das Streben nach immer mehr Wachstum und Konsum und die damit einhergehende steigende Müllproduktion und Kon-tamination sowie der Kampf um Ressourcen als Hauptursachen des Klimawandels angesehen werden müssen. Da diese Faktoren zum Wesen des Kapitalismus gehören, wurde der Konsens erzielt, dieses System grundsätzlich in Frage zu stellen. Während der gesamten Konferenz wurde über eine Alternative zum Kapitalismus diskutiert. Man nutzte das Beispiel der Kultur der Anden, das bis heute als Prinzip der Harmonie zwischen den Menschen und der Natur in der Gemeinschaft praktiziert wird.
Nach diesem Prinzip des El Sumak Kawsay, des „guten Lebens“, sollen alle gleich gut leben. Dies ist allerdings nur möglich, wenn alle Menschen gleichermaßen gut in einer gesunden Natur leben können. Der Kapitalismus mit dem Prinzip des „besser leben“ steht dem mit seinem unaufhörlichem Wachstum und konstantem Konsum entgegen. Sich daran anschließend wurde das „Super-Planetarische Demokratie“-Konzept von Leonardo Boff als ein neues Demokratieverständnis diskutiert, das eine globale Solidarität erfordert, da wir alle - ohne Ausnahme - von unserem Planeten abhängig sind.
Ein weiteres Ergebnis war die Verabschiedung eines Entwurfs der „Allgemeinen Erklärung der Rechte der Mutter Erde“. Damit verbunden wurde die Forderung nach der Einrichtung eines „Tribunals für Klima- und Umweltgerechtigkeit“, an dem sowohl Un-ternehmen als auch Regierungen verklagt werden können.
Außerdem wurde auf eine finanzielle Verpflichtung derjenigen Staaten gedrängt, die für die Zerstörung das Weltklimas hauptverantwortlich sind: diese Länder sollen 6 % ihres Haushalts, zusätzlich zur offiziellen Entwicklungshilfe leisten, um dem Klimawandel in den Entwicklungsländern entgegentreten zu kön-nen. Ein weltweites Referendum soll darüber hinaus die Verteidigungsausgaben für den Klimaschutz umwidmen. Evo Morales äu-ßerte dazu den Gedanken : „Ich habe kein Verständnis dafür, dass so viel Geld für den Tod, Kriege ausgegeben wird, anstatt es für das Leben, für den Frieden und zum Schutz des Klimas zu verwenden.“
Für Bevölkerungsgruppen, die marginalisiert, rechtlos und häu-fig von den Klimaveränderungen am stärksten betroffen sind, wie z.B. Migranten und die indigene Bevölkerung, wurde voller Schutz und die Anerkennung ihrer Rechte und ihrer Kultur gefordert. Ein spezieller Arbeitskreis zu diesem Thema forderte die Öffnung aller Grenzen für Migranten und die Abschaffung aller restriktiven Gesetze, welche Migration behindern. Weitere Diskussionen drehten sich z.B. um Maßnahmen für einen Technologietransfer, um die Anerkennung von Nahrung als Menschenrecht und die Erhaltung der Wälder. In November findet die Weltklimakonferenz in Cancun, Mexico, statt. Dort sollen die Forderungen und Ergebnisse der Konfe-renz von Cochabamba vorgelegt werden.
Die Medien haben die Konferenz von Cochabamba weitestgehend ignoriert. Die allgemeinen politischen Gremien, sowie europäi-sche Regierungen haben kaum Notiz von dem Treffen genommen. Ich empfinde dies als eine unglaubliche Arroganz. Mit meinen Eindrücken möchte ich die meines Erachtens wenig kommunizier-ten und weitestgehend unbekannten Ergebnisse dieser alternati-ven Konferenz weitergeben, in der Hoffnung, eine solidarische Bewegung - auch in Europa - zu stärken. Der komplette Bericht und weitere Informationen unter www.vereinigung-deutsch-auslaendische-solidaritaet.de/
Dr. José Ramírez Voltaire nahm als Vertreter des AK Süd Nord der IPPNW und der „Vereinigung deutsch-ausländische Solidari-tät (VDAS)“ teil.
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