Artikel von Dr. Winfrid Eisenberg

Folgen der Atomkatastrophen für die Natur

15.04.2016 Wenn große Mengen radioaktiver Substanzen in die Biosphäre gelangen, wie vor 30 Jahren in Tschernobyl und vor 5 Jahren in Fukushima, kann man Menschen evakuieren, aber in der freien Natur lebende Tiere und Pflanzen müssen da bleiben, wo sie sind. Von Strahlen verursachte Veränderungen sehen wir bei Tieren und Pflanzen in der Regel früher als bei Menschen. So kann an der japanischen Momi-Tanne seit der Wachstumsphase im Frühjahr 2012 beobachtet werden, dass die Haupttriebe nicht wie üblich gerade weiterwachsen, sondern horizontale oder vertikale Gabelungen aufweisen. Je näher die Tannen an den explodierten Reaktoren stehen, desto zahlreicher und ausgeprägter sind diese Defekte, so dass offenbar eine Dosis-Wirkungsbeziehung besteht.

Timothy Mousseau, Biologe an der Universität von South Carolina, hat mit seinem Team seit 1999 bei 35 wissenschaftlichen Expeditionen in der Todeszone von Tschernobyl Insekten, Vögel, Säugetiere und Pflanzen untersucht. Seit 2011 unternahm er 10 entsprechende Expeditionen nach Fukushima. Die Ergebnisse seiner Forschungen wurden in ca. 60 wissenschaftlichen Arbeiten veröffentlicht. Sein Fazit: Sowohl die Zahl der Tiere einer Art („abundance“) als auch die Zahl der Arten („biodiversity“) weisen im Vergleich zu Kontrollregionen einen alarmierenden Rückgang auf, und zwar um so deutlicher, je stärker die radioaktive Belastung ist. Viele Arten sind schon ausgestorben.

Auf dem Kongress „5 Jahre Leben mit Fukushima - 30 Jahre Leben mit Tschernobyl“ Ende Februar in Berlin zeigte Mousseau zahlreiche Fotos mit Fehlbildungen, Tumoren und Katarakten bei Vögeln sowie mit Asymmetrien und grotesken Fehlbildungen bei Schmetterlingen, Libellen und anderen Insekten.

Mousseau hat neben kleinen Säugetieren wie Mäusen auch große Wildtiere in den Todeszonen gezählt und untersucht. Sie weisen ebenso wie Insekten und Vögel rückläufige Zahlen, Fehlbildungen, Katarakte, Farbänderungen,Verhaltensstörungen auf. Die alljährlich um die Tschernobyl-Zeit im Fernsehen gezeigten Filme vom angeblich paradiesischen Leben des Wildes in den Todeszonen verwies Mousseau in das Reich der Märchen und der gezielten Desinformation.

Von Dr. Winfrid Eisenberg

 

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Timothy Mousseau: Recent Developments Concerning Impacts To Non-Human Biota in Fukushima

 

 

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