Bündnis-Pressemitteilung vom 24. Januar 2024

Urenco erweitert Urananreicherung in Deutschland und dem Vereinigten Königreich

Bündnis warnt vor Plänen des Unternehmens

Das NRW-Wirtschaftsministerium hat bekannt gegeben, dass der Urananreicherer Urenco für die Anreicherungsanlage Gronau einen Genehmigungsantrag für ein Lager mit kontaminierten Uran-Zentrifugen gestellt hat. Zudem teilte das Ministerium mit, dass derzeit ein "nukleares Inbetriebnahmeverfahren“ für ein Uranoxid-Zwischenlager in Gronau laufe. Währenddessen kündigte die britische Regierung an, dass Urenco für seine Anlage in Liverpool einen deutlich höheren Urananreicherungsgrad als bisher anstrebt. Dies wirft die Frage auf, ob Urenco zukünftig ein rein ziviles Unternehmen bleibt.

Das für die Atomaufsicht zuständige NRW-Wirtschaftsministerium gab bei einem Treffen mit Anti-Atomkraft-Initiativen und Umweltverbänden bekannt, dass der in Gronau ansässige Urananreicherer Urenco zu Jahresbeginn offiziell den Bau einer Lagerhalle für radioaktiv kontaminierte Uran-Zentrifugen beantragt hat. Die Halle soll auf dem Gelände der Urananreicherungsanlage Gronau entstehen. Die Düsseldorfer Atomaufsicht prüfe nun unter anderem, ob es eine Öffentlichkeitsbeteiligung mit Einspruchsmöglichkeiten geben wird. Zudem teilte das Ministerium mit, dass derzeit das „Aufsichtsverfahren zur nuklearen Inbetriebnahme“ der bereits 2014 fertiggestellten Lagerhalle für knapp 60 000 t Uranoxid laufe. Das würde die Lagerkapazitäten für die Uranabfälle aus der Urananreicherung in Gronau mehr als verdoppeln. Bislang gibt es in Gronau eine Freilagerfläche für fast 40 000 t abgereichertes Uranhexafluorid. Die Initiativen und Verbände fordern hingegen die Stilllegung der Urananreicherungsanlage im Rahmen des Atomausstiegs.

Interessanterweise hat Urenco den im letzten Jahr bereits angekündigten Bau eines zusätzlichen „Reststoffbearbeitungszentrums“ für die radioaktiv kontaminierten Uran-Zentrifugen noch nicht in Düsseldorf beantragt. Gründe dafür wurden nicht genannt.

Alarmiert sind die Initiativen und Verbände zudem über eine aktuelle Meldung der britischen Regierung: Diese will am Urenco-Standort Capenhurst bei Liverpool Kapazitäten für deutlich höher angereichertes Uran, sog. HALEU, aufbauen. HALEU liegt mit einem Anreicherungsgrad von 19,75% Uran 235 hauchdünn unter der Grenze zum hochangereicherten Uran. Unter anderem Atom-U-Boote und andere Militäreinheiten können zukünftig mit diesem HALEU für Modulreaktoren versorgt werden. Zivile Atomkraftwerke benötigen nur einen Anreicherungsgrad von 3–5% Uran 235.

Für die Entwicklung von neuen Kernbrennstoffen und Uranzentrifugen, die für die HALEU-Produktion notwendig sind, ist bei Urenco die Tochter UTD (Urenco Technology & Development) in Gronau sowie die ETC (Enrichment Technology Company) in Jülich zuständig. Bei dem Treffen in Düsseldorf wurde den Anti-Atomkraft-Organisationen mitgeteilt, dass die Atomaufsicht für diesen Teil der Urenco-Tätigkeiten nicht zuständig sei. Dazu ist nun eine Anfrage an das Bundesumweltministerium in Vorbereitung.

„Die atomaren Pläne von Urenco sind beunruhigend. Wir wollen keinen Ausbau der Urananreicherungsanlage, sondern deren Stilllegung. Und wir sind extrem beunruhigt, dass die Urenco-Töchter in Gronau und Jülich in Pläne verwickelt werden könnten, sich auch an militärischen Uran-Projekten zu beteiligen. Wir fordern hier von der NRW-Landesregierung, aber natürlich auch von der Bundesregierung klare Auskünfte und ein Veto“, so Udo Buchholz vom Arbeitskreis Umwelt Gronau und Vorstandsmitglied im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz.

„Weitgehend unbeachtet von der deutschen Öffentlichkeit treiben Atommächte wie Großbritannien, aber auch Frankreich und die USA ihre Pläne voran, höher angereicherte, kompaktere Kernbrennstoffe herzustellen, die dann auch militärisch genutzt werden können. Die Bundesregierung muss verhindern, dass sich auch Urenco-Töchter in NRW insgeheim an solchen Vorhaben beteiligen. Denn dann wäre Urenco kein ziviles Unternehmen mehr. Die alarmierenden Pläne zeigen zudem, wie wichtig es ist, den Atomausstieg zu vollenden und auch die Urananreicherung komplett aufzugeben,“ so Dr. Angelika Claußen, Europa-Vorsitzende der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW.

Zum Hintergrund:

Urenco ist ein trinationales Unternehmen. Jeweils ein Drittel gehören dem britischen und niederländischen Staat. Das deutsche Drittel teilen sich RWE und E.ON. Im Rahmen des Staatsvertrags von Almelo üben die britische, die niederländische und die deutsche Regierung gemeinsam die politische Aufsicht über Urenco aus, weil die für die Urananreicherung verwendete Zentrifugentechnologie als ein Schlüssel zum Bau von Atombomben gilt. Alle Anteilseigner und jede der drei Regierungen – also auch die Bundesregierung – besitzen ein Vetorecht, um politisch unerwünschte Entscheidungen zu verhindern.

Urananreicherung wird mit dem Stoff Uranhexafluorid (UF6) betrieben. Angereichertes UF6 dient als Grundlage zur Brennelementeproduktion, abgereichertes UF6 wird weltweit primär einfach nur als „Reststoff“ gelagert. In Gronau findet dies ungeschützt unter offenem Himmel statt. Zur langfristigen Lagerung hat die NRW-Landesregierung eine Umwandlung in den chemisch stabileren Stoff Uranoxid (U3O8) vorgeschrieben. Dies hat Urenco bislang jedoch weitgehend vermieden, weil Uranoxid mit großer Sicherheit als Uranmüll eines Tages sicher endgelagert werden muss. Eine solche Endlagerstätte gibt es bislang bekanntlich nicht.

Die Dekonversionsanlagen zur Umwandlung von Uranhexafluorid in Uranoxid befinden sich in Frankreich und Großbritannien. Ob und in welchem Maße Urenco dort schon abgereichertes UF6 aus Gronau in Uranoxid hat umwandeln lassen, wollte das Ministerium bei dem jetzigen Treffen nicht mitteilen. Bis 2020 verfolgte Urenco den Export von abgereichertem UF6 nach Russland als kostengünstige Möglichkeit, sich der atomaren Abfälle in Gronau zu entledigen. Dagegen hatte es jahrelang immer wieder Proteste in Deutschland, den Niederlanden und in Russland gegeben.



Weitere Informationen:
https://www.gov.uk/government/news/uk-invests-in-high-tech-nuclear-fuel-to-push-putin-out-of-global-energy-market

https://www.gov.uk/government/publications/nuclear-fuel-fund-nff-projects-awarded-funding/nuclear-fuel-fund-successful-projects

https://world-nuclear-news.org/Articles/UK-to-launch-HALEU-production-programme

Das Bündnis:
Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen | Arbeitskreis Umwelt (AKU) Gronau | Aktionsbündnis "Stop Westcastor" Jülich | IPPNW | Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU)

Pressekontakt:
Frederic Jage-Bowler, IPPNW - Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, jagebowler[at]ippnw.de, 030  698074 15

zurück

Navigation