Pressemitteilung vom 25.06.2020

Ärztin und Medizinstudentin wegen „Hausfriedensbruch“ auf Bundeswehr-Flugplatz verurteilt

Prozess in Cochem

25.06.2020 Mit je dreißig Tagessätzen ahndete Amtsrichter Zimmermann gestern in Cochem das Engagement der Ärztin Dr. Brigitte Hornstein und der Medizinstudentin Thuy Linh Pham aus Hannover gegen die auf dem Bundeswehr-Flugplatz Büchel stationierten atomaren Massenvernichtungswaffen. Sie hatten am 30. April 2019 gemeinsam mit fünfzehn weiteren Friedensaktivist*innen in zwei Gruppen eine Aktion Zivilen Ungehorsams auf dem Militärgelände durchgeführt. Während eine Gruppe ein „atomwaffenfreies Picknick“ zwischen zwei Umzäunungen veranstaltete, überwand die zweite Gruppe beide Zäune und hielt eine Mahnwache „Atomwaffenfrei jetzt!“ ab. Das Verfahren gegen einen dritten Beklagten wurde abgetrennt und vertagt. Die beiden Verurteilten legten noch im Gerichtssaal Berufung ein.

In ihrer Einlassung erklärte die Ärztin aus Münster, die Mitglied der IPPNW ist: „Vorbeugen ist besser als heilen.“ Daher habe sie mit dem Mittel des Zivilen Ungehorsams versucht, die täglichen Atomkriegsübungen der Bundeswehr in Büchel zu unterbrechen. Hornstein schilderte die entsetzlichen Folgen, die die Detonation einer Atombombe mit 50 Kilotonnen Sprengkraft – vergleichbar mit den in Büchel stationierten US-Atombomben – über der russischen Stadt Sankt Petersburg hätte. Ein verheerendes Szenario ergäbe sich auch bei einem Atombomben-Angriff auf Büchel. Ein Atomkrieg aus Versehen, etwa infolge einer Kette von Fehlentscheidungen oder technischem Versagen in einer durch Misstrauen gekennzeichneten internationalen Lage sei jederzeit möglich, führte Hornstein aus. Sie stellte den Antrag, den Informatiker Prof. Dr. Karl Hans Bläsius dazu anzuhören. Richter Zimmermann  lehnte das ab.

Die Medizinstudentin Thuy Linh Pham aus Hannover, ebenfalls IPPNW-Mitglied, kritisierte die Pläne von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, zweistellige Milliardensummen für neue Atombomben tragende Flugzeuge ausgeben zu wollen, während sich in der Corona-Krise die mangelnde Ausstattung des Gesundheitssystems zeige. Es werde behauptet, die Atomwaffen seien nur da, um dazusein, um abzuschrecken. „Aber hat das eine abschreckende Wirkung? Ich sehe, dass das Gegenteil passiert, andere Länder rüsten weiter auf, um auch ‚abzuschrecken’, und die Radikalisierungsspirale geht weiter – das ist doch absurd“, so Pham. Eindringlich appellierte sie an die Mitverantwortung der Justiz: „Helfen Sie uns, dem Schrecken der Atomwaffen hier in Deutschland und hoffentlich dann weltweit ein Ende zu bereiten“. Das Gericht möge die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abwarten, bei dem eine Beschwerde über das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 9.4.2020 über ein „Go-In“ in Büchel anhängig sei. Richter Zimmermann lehnte das ab und erklärte: „Das Urteil hat nichts damit zu tun, ob hier Atomwaffen lagern oder nicht.“

Foto vom 24.6.2020 (vor dem Amtsgericht Cochem)

flic.kr/p/2jf1SJv (Hochformat, Bildnachweis: Büchel17)
flic.kr/p/2jf25TA (Querformat, Bildnachweis: Büchel17)
Textvorschlag: „ ‚Unser Rezept gegen die Bombe: Atomwaffen verbieten!’ Thuy Linh Pham
und Dr. Brigitte Hornstein vor dem Amtsgericht Cochem, 24.6.2020. Foto: Büchel17“

Juristische Folgen vor dem Amtsgericht Cochem
Einlassungen der „Picknick-Gruppe“ und der „Go-In-Gruppe“ von Büchel17 als pdf:
www.friedenkoeln.de („Texte aus dem Gerichtssaal“)

Ziviler Ungehorsam zur Abschaffung der Atomwaffen in Büchel seit 1997
Gewaltfreie Aktionen zur Durchsetzung des Abzugs der Atomwaffen aus Deutschland finden seit 1997 in Büchel statt. Zahlreiche Aktivistinnen und Aktivisten schnitten den Militärzaun auf, betraten des Militärgelände („Go-In“), hielten nicht genehmigte Versammlungen ab, riefen zu Befehlsverweigerung, Blockaden, Go-In-Aktionen und zum „Whistleblowing“ auf. Seitdem wurden mindestens 95 Menschen wegen Straftaten im Zusammenhang mit solchen Aktionen Zivilen Ungehorsams angeklagt, einige von ihnen mehrmals. Dreizehnmal gingen Menschen ins Gefängnis, nachdem sie wegen Teilnahme an gewaltfreien Aktionen in Büchel verurteilt worden waren. Derzeit dürften wegen Aktionen Zivilen Ungehorsams zur Abschaffung der Atomwaffen in Büchel 35 Strafverfahren laufen. Außerdem sind fünf
Verfassungsbeschwerden anhängig.
Quelle: Martin Otto, GAAA (Stand: 14.6.2020)

Informationen zur Aktion Zivilen Ungehorsams am 30.4.2019:
Foto vom 30.4.2019: flic.kr/p/2enXCFM
"Frieden schaffen ohne Waffen" - Teilnehmer*innen von Büchel17 auf dem Militärflugplatz
Büchel am 30.4.2019. Foto: Büchel17“


Pressekontakt:
Stefanie Intveen, 0151 56094920, stefanie.intveen@web.de (V.i.S.d.P.)
Hintergrundinfos zu weiteren Strafverfahren wegen Aktionen Zivilen Ungehorsams in Büchel
erteilt Martin Otto, Gewaltfreie Aktion Atomwaffen abschaffen (http://www.gaaa.org), per
Email: jur.folgen@gaaa.org


Angelika Wilmen, 030/ 698074 - 15, IPPNW, wilmen@ippnw.de

zurück

Stellenangebote

Bundesfreiwilligendienst

Die IPPNW sucht eine*n Bundesfreiwillige*n zur Unterstützung des Vereins in der Öffentlichkeitsarbeit und Verwaltung, ab dem 1. August 2024, für 38 Wochenstunden, für bis zu einem Jahr.

ippnw blog

Warum Tschernobyl auch heute noch aktuell ist

Vor 38 Jahren, am 26.4.1986, explodierte der Reaktor Nr. 4 des ukrainischen AKWs in Tschernobyl, nahe der Grenze zu Weissrussland. Die anschließende radioaktive Wolke betraf weite Teile Europas und brachte uns allen die Gefährlichkeit und Unbeherrschbarkeit der Atomenergie ins Bewusstsein.

Mehr...

Navigation