1991

IPPNW-Chronik

Die Fernsehbilder definierten den Krieg als ein Spiel und begünstigten damit die Illusion von unblutigen Spielplatz-Kämpfen, während ein Land der Dritten Welt ins letzte Jahrhundert zurückgeworfen wurde. Bei dieser Art von Krieg treten die tödlichen Auswirkungen nicht sofort in Erscheinung.(...) Der Golfkrieg hat zudem die ständig drohende Möglichkeit demonstriert, dass ein konventionell ausgetragener Konflikt bis zum Einsatz von Massenvernichtungs-Waffen eskalieren kann - einschließlich chemischer, biologischer und atomarer -, die alle im Überfluss in der Golfregion angehäuft war.
Bernard Lown in seinem Vortrag "Ärzte und die neue Weltordnung" beim IPPNW-Kongress in Berlin, Februar 1992

Januar:
Die IPPNW versucht, zusammen mit anderen Friedens-Organisationen, durch intensive Öffentlichkeitsarbeit, Anzeigen-Aktionen, regionale und bundesweite Veranstaltungen und Lobby-Arbeit, den Ausbruch des Golfkrieges zu verhindern. Mehrere tausend ÄrztInnen der IPPNW nehmen an der zentralen Demonstrationen gegen den Golfkrieg teil, zu der sich über 300.000 Menschen in Bonn versammeln.

Die erste gemeinsame Tagung der beiden deutschen IPPNW-Sektionen findet statt. In Burgscheidungen nahe Naumburgs wird über die Rolle der ÄrztInnen in der Friedensbewegung, über den Begriff "soziale Verantwortung", den drohenden Golfkrieg und die Probleme bei Deutschlands Wiedervereinigung diskutiert. Der Zusammenschluss der beiden Sektionen wird nochmals bekräftigt unter der Voraussetzung, dass die westdeutsche Sektion ihre Satzung der der ostdeutschen anpasst.

Februar: Die IPPNW weist eindringlich in Presse, Funk und Fernsehen auf die katastrophalen Folgen des Golfkrieges hin und fordert die sofortige Einstellung aller Kriegshandlungen.

März:
Eine deutsche Ärztedelegation der IPPNW fährt nach Israel, um ihre Solidarität auszudrücken. Sie besichtigen in Tel Aviv die frischen Zerstörung durch die irakischen Scud-Raketen. Auf einer Pressekonferenz in Jerusalem bekundet die Delegation ihre tiefe Abscheu über die deutschen Rüstungsexporte in den Irak und ruft zu einer massenvernichtungsfreien Zone im Mittleren Osten auf.

Auf der Mitgliedervollversammlung in Kassel beschließt die IPPNW den Zusammenschluss der beiden deutschen Sektionen. Der Name der deutschen Sektion wird erweitert: von nun an heißt die IPPNW zusätzlich "Ärzte in sozialer Verantwortung". 500 ÄrztInnen aus den neuen Bundesländern treten der neuen IPPNW bei.

Der 1. Pan-Europäische Studentenkongress der IPPNW findet in Rostock statt. Schwerpunkt ist das sich bildende neue Europa zu verstehen, Verständnis für die Situation der Menschen in verschiedenen Ländern zu erlangen und neue studentischen Perspektiven in der IPPNW Arbeit zu suchen.

Mai:
Die IPPNW beginnt eine groß angelegte medizinische Hilfsaktion für die Opfer des Golfkrieges. Einige Tonnen Medikamente, 6000 Infusions-Lösungen, 4 Wasser-Reinigungs-Anlagen, medizinische Geräte und Nahrungsmittel für die notleidende Bevölkerung werden in die Golfregion transportiert. ÄrztInnen der IPPNW versorgen vor Ort in Krankenhäusern Verletzte und Schwerstverwundete.

Juni:
In Zusammenarbeit mit der türkischen IPPNW-Sektion NÜSED organisiert die deutsche IPPNW einen Medikamententransport für die vom Golfkrieg besonders betroffene kurdische Bevölkerung. 50 Tonnen Medikamente werden den in Flüchtlingslagern im türkisch-irakischen Grenzgebiet arbeitenden ÄrztInnen übergeben.

Juni/Juli:
Der 10. Jubiläums-Weltkongress der IPPNW findet unter dem Motto "Global Communication for Common Security and Health" in Stockholm statt, an dem mehr als 1300 ÄrztInnen der IPPNW aus 80 Ländern teilnehmen. Mit einem Vortrag "Zur Lage des Planeten" von Carl Sagan, Astronom, feiert die IPPNW ihr 10-jähriges Bestehen.

Beim International Council: Die Agenda der IPPNW wird erweitert, für die Verhinderung aller Kriege; es wird das IPPNW-Dreieck als Symbol des Zusammenwirkens von Krieg, Armut und Umweltzerstörung vorgestellt. Der bundesdeutsche Antrag, sich mit den Folgen von Niedrigstrahlung zu beschäftigen, wird angenommen.

Juli: Auf Initiative von jugoslawischen Ärzten und der IPPNW gründet sich in Belgrad die Friedensinitiative Kroatischer und Serbischer Ärzte. Dieser Initiative gehören über 100 ÄrztInnen an, die sowohl medizinische Hilfe für die vom Bürgerkrieg betroffenen Menschen als auch Versöhnungs- und Friedensarbeit vor Ort leisten.

September:
Die IPPNW verleiht erstmals die Clara-Immerwahr-Auszeichnung an Heinz Friedrich, Ingenieur bei der Firma Dornier, der sich am Arbeitsplatz und öffentlich gegen die Herstellung von Rüstungsprodukten einsetzt.

IPPNW-Kongress "Wege zur Entmilitarisierung" findet in Heidelberg statt. Ein sehr dichtes und anspruchsvolles Vortrags-Programm spannt sich von der theoretisch-analytischen Betrachtung des Militarismus bis zu den praktischen ersten Schritten der Entmilitarisierung der Gesellschaft.

November:
In Washington veröffentlicht die internationale IPPNW mit der Studie "Radioaktive Verseuchung von Himmel und Erde" die Ergebnisse der IPPNW-Kommission über die gesundheitlichen Folgen der ober- und unterirdischen Atomtests. Das Resultat der einjährigen Forschungsarbeit von ÄrztInnen und PhysikerInnen ist erschütternd: Bis zum Ende dieses Jahrhunderts werden die oberirdischen Atomwaffentests ca. 430.000 tödliche Krebserkrankungen verursacht haben. Die Ergebnisse der Studie führen zu weltweiten Protests gegen Atomtests.

In 1991 wurden 2000 ÄrztInnen Mitglieder der IPPNW, die meisten aufgrund des Golfkrieges.

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