Aufruf „Ärzte warnen vor dem Atomkrieg“ (1981)

Anzeige in mehreren überregionalen Zeitungen in der BRD

„Die unterzeichnenden Ärzte warnen eindringlich vor der wachsenden Gefahr eines Atomkrieges. Das Atomwaffenpotential in Ost und West hat ein unvorstellbares Ausmaß erreicht. Trotzdem beschließt die
NATO eine weitere Nachrüstung mit Raketen bisher ungekannter Treffsicherheit. Der amerikanische Außenminister Haig sagt, es gäbe wichtigere Dinge als den Frieden und Schlimmeres als den Krieg und bestätigt damit Aussagen namhafter Wissenschaftler und ehemaliger Militärs:

Es geht nicht mehr um „Frieden durch nukleares Gleichgewicht“. Man plant schon Einzelheiten eines nuklearen Krieges in Europa.

Im medizinischen Bereich sollen Fortbildungsveranstaltungen über Katastrophenschutz und Gesetzesvorlagen zur Zwangsverpflichtung von Ärzten und Krankenpflegepersonal auf einen möglichen Atomkrieg vorbereiten. Wir sind davon betroffen, wie bedenkenlos in diesen Planungen menschliche und ärztliche Grundsätze aufgegeben werden. Im Atomkrieg würden nur noch diejenigen behandelt, bei denen es sich „lohnt“ und Schwerstverletzte, alte Menschen, Behinderte und vorher schon chronisch Kranke nicht mehr versorgt werden. Selektion statt medizinischer Versorgung für alle soll dazu beitragen, eine atomare Katastrophe zu „beherrschen“«. Doch auch ein „begrenzter“ Atomkrieg
wird in seinen Folgen für die Menschen nicht begrenzt bleiben:

- Im unmittelbaren Katastrophengebiet wird der Sauerstoff durch die Explosion und die entstehenden Großfeuer verbraucht, so dass selbst die Menschen in den Bunkern ersticken.

- Selbst in einer Entfernung von 300 km wird der radioaktive Niederschlag soviel tödliche Strahlung abgeben, dass man – wenn überhaupt – dort erst nach Jahren wieder leben kann.

- Durch die Vielzahl der atomaren Explosionen wird die Atmosphäre so verändert, dass auch auf anderen Kontinenten das Leben von Mensch und Natur gefährdet ist.

- Die radioaktive Strahlung führt außerdem zur Verseuchung der Lebensmittel, des Trinkwassers und der gesamten Umwelt; bei den überlebenden zu Krebserkrankungen, Siechtum und Erbschäden.

Millionen von Menschen würden an den unmittelbaren und langfristigen Folgen der atomaren Explosionen qualvoll zugrunde gehen, ohne dass die überlebenden Arzte helfen könnten. Blutplasma, Medikamente und medizinische Geräte wären ohnehin vernichtet. Es gibt keine wirksame Hilfe gegen die Vielzahl von Krankheiten und Verletzungen, insbesondere keine gegen die Strahlenkrankheit. Alle „Vorkehrungen“ für einen Atomkrieg, Gesetzesvorlagen und Zivilschutz können daran nichts ändern; dies weckt nur ungerechtfertigte Hoffnungen und erhöht die Bereitschaft der politisch Verantwortlichen zum tödlichen Risiko.

Ein Atomkrieg ist die letzte Katastrophe für Mensch und Natur. Wir sehen es als unsere notwendige ärztliche Aufgabe an, die Bevölkerung darauf hinzuweisen, dass der einzig wirksame Schutz die Verhinderung des Atomkrieges ist.

Wir setzen uns dafür ein, die Atomwaffen insgesamt abzuschaffen. Unser erster Schritt zu diesem Ziel ist es, die Stationierung der neuen Atomwaffen in Europa und besonders in der Bundesrepublik nicht zuzulassen.

Wir rufen alle Interessierten dazu auf, am „Medizinischen Kongress zur Verhinderung des Atomkrieges“ teilzunehmen.

Themen des Kongresses: Die kurz- und langfristigen medizinischen, psychischen, sozialen, physikalischen und ökologischen Folgen eines Atomkrieges. Wehrpsychiatrie, Wehrmedizin, Zivilschutz, Gesundheitssicherstellungsgesetz. „Nachrüstung“ und wachsende Kriegsgefahr.

Referenten: Generalmajor a. D. G. Bastian; Prof. J. Boag (Biophysiker, England); Prof. W. Linden (Arzt, ehemaliges Mitglied der Zivilschutzkommission des Innenministeriums, Hamburg); Prof. H. E.
Richter (Psychoanalytiker, Gießen), u.a.m.

Termin: 19. September (9.00 h) bis 20. September (14.00 h) 1981 im Audimax Hamburg. Unkostenbeitrag: DM 20,-, Ärzte u.ä. DM 50,-.
Veranstalter: Ärzteinitiativen aus Berlin, Heidelberg, Hamburg, München, u. a.

Alle Interessierten sind herzlich eingeladen. Detailliertes Programm mit Zeitablauf, Raumverteilung und Vorbereitungsmaterial nach Anmeldung. Kontaktadresse: Verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes:
Wolfgang Kratzke, Lipdenstraße 23, 2000 Hamburg 1.“

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