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Gekaufte Wissenschaft

Missbrauch der Atombombenopfer-Daten

Die erste größere epidemiologische Untersuchung fand nach dem Zweiten Weltkrieg während der Besetzung Japans durch US-Truppen statt, als auf Initiative der US-Regierung die Kommission für Atombombenopfer (Atomic Bomb Casualty Commission, ABCC) unter Leitung des Oberkommandierenden der alliierten Streitkräfte ins Leben gerufen wurde. Obwohl japanische Ärzte und Krankenschwestern notwendigerweise an der Erhebung der Daten beteiligt waren, wurden die eigentlichen Studien von Wissenschaftlern aus den Vereinigten Staaten geplant und durchgeführt, und auch heute noch wird die Finanzierung der Stiftung zur Erforschung von Strahlenfolgen (Radiation Effects Research Foundation, RERF), der Nachfolgeorganisation der ABCC, von den USA und Japan gemeinsam geleistet.

Drei Arten von Untersuchungen über Atombombenüberlebende sind zu unterscheiden: die Untersuchung ererbter genetischer Folgen bei Kindern, deren Eltern der Atombombenstrahlung ausgesetzt waren; die Untersuchung unterschiedlicher Folgen pränataler Bestrahlung; und die Untersuchung von Langzeitschäden durch postnatalen Kontakt mit Radioaktivität. Die letztgenannte Untersuchungsform, die so genannte Lebenszeitstudie (Life Span Study, LSS), beschäftigt sich vorrangig mit Krebs als Folgeerscheinung und ist die Hauptquelle für Krebsrisiko-Koeffizienten, die weithin angewandt werden, um die Folgen radioaktiver Strahlung auf die Häufigkeit von Krebserkrankungen unter den Beschäftigten der Atomindustrie und anderen Strahlung ausgesetzten Bevölkerungsgruppen einzuschätzen.

Trotz der Existenz umfangreicher Programme in den fünfziger Jahren, in denen die Strahlung, der Beschäftigte ausgesetzt waren, überwacht wurde, sowie betrieblicher Gesundheitsuntersuchungen, die biologische Auswirkungen hätten dokumentieren können, wurden epidemiologische Studien erst in den Sechzigern begonnen. Auch in anderen Staaten wurden Untersuchungen unter Beschäftigten in der Atomindustrie durchgeführt.

Die LSS-Studie ist außergewöhnlich groß angelegt, und die Überlebenden waren den unterschiedlichsten Strahlendosen ausgesetzt. Die Testgruppe mit den jüngsten Dosenschätzungen besteht aus 75.991 Überlebenden. Eine große Probantenzahl ist eine der Hauptstärken jeder Untersuchung und trägt zur statistischen Präzision der Einschätzung von Strahlungsrisiken bei.

Die Arbeiteruntersuchungen variieren im Umfang, abhängig von der Größe der Belegschaft einer Einrichtung und den Qualifikationskriterien für die jeweilige Studie wie Rasse, Geschlecht, Einstellungsdatum, Dauer des Beschäftigungsverhältnisses und Verfügbarkeit von Daten über die Strahlenbelastung der betreffenden Personen. Viele der Studien des Energieministeriums sind äußerst umfangreich, einige Einrichtungen hatten Zehntausende mittels Plaketten überwachte Arbeiterinnen und Arbeiter auf ihren Lohnlisten.


Die Strahlenbelastung
Die Belastungssituation war für Atombombenüberlebende und Arbeiter sehr unterschiedlich. Bei Atombombenopfern bestand die Ganzkörperbelastung primär aus Gamma- und Neutronenstrahlung, die während der ersten Mikrosekunden der Explosion freigesetzt wurde. Die geschätzten Dosen reichten von niedrig bei großer Entfernung vom Hypozentrum bis tödlich in der unmittelbaren Umgebung des Einschlagpunktes. Die RERF-Untersuchungen ignorieren die Belastung durch verstrahlte Gebäude und Fall-out, obwohl japanische Ärzte, Veteranen und andere Beobachter es für möglich halten, dass diese Art der Strahlenbelastung ein bedeutender Faktor sein könnte. Fall-out, der in einiger Entfernung vom Hypozentrum der Explosion niederging, wäre für epidemiologische Studien von besonderer Bedeutung, da seine Nichtbeachtung bei Überlebenden, die zum Zeitpunkt der Explosion niedrigeren Dosen ausgesetzt waren, zu einer systematischen Unterbewertung der Strahlenbelastung führen würde.

Im Gegensatz dazu sind die Beschäftigten der Atomindustrie in der Forschung, bei der Fertigung radioaktiver Materialien, der Stromerzeugung, der Abfallentsorgung und der Montage von Waffen Strahlenbelastungen ausgesetzt. Außer bei Unfällen sind die während der Arbeit aufgenommenen Einzeldosen normalerweise zu gering, um akute Symptome hervorzurufen. Das Hauptinteresse bei der Untersuchung vieler Arbeitergruppen gilt der kumulativen Ganzkörperbelastung durch eindringende ionisierende Strahlung. Im Vergleich mit der Strahlenbelastung von Atombombenüberlebenden sind Beschäftigte in der Atomindustrie im Allgemeinen über einen langen Zeitraum verteilt vielen kleinen Dosen ausgesetzt. Dies ist das Muster, das für die Festlegung von Strahlenschutznormen von größtem Interesse ist.

Die Messung der Strahlenbelastung
Die Quantifizierung des Zusammenhangs zwischen Strahlenbelastung und Krankheiten hängt von der Fähigkeit ab, zwischen Menschen mit verschiedenen Dosen zu differenzieren. Die Untersuchungen der Atombombenüberlebenden benutzten die Entfernung vom Epizentrum als Ersatz für die Strahlendosis, spätere Verfahren der Dosisbe-
stimmung berücksichtigten aber auch die individuelle Abschirmung und andere Faktoren. Größere Überarbeitungen der Kriterien fanden 1965 und 1986 statt. Die Schätzungen basierten auf Menge und Art der von den Bomben freigesetzten Strahlung und dem Aufenthaltsort der Person zur Zeit des Bombenabwurfs.

Die Genauigkeit der Daten über den Aufenthaltsort und die individuelle Abschirmung jedes Überlebenden zum Zeitpunkt der Explosion hing vom Erinnerungsvermögen der Befragten und der Fähigkeit der Interviewer ab, relevante Informationen zu erfragen. Aus den angespannten Beziehungen zwischen japanischen Überlebenden und von Amerikanern geleiteten Forschungsteams, den Auswirkungen einer tief gehenden Katastrophe auf das Gedächtnis und dem sozialen Stigma, ein "Verstrahlter" zu sein, ergaben sich Probleme bei der Untersuchung der Atombombenüberlebenden. Anzeichen für akute Schäden - wie Haarausfall, Erytheme und Chromosomenveränderungen - wurden bei Überlebenden festgestellt, deren angeblich niedrige Verstrahlung das Ergebnis von Übermittlungsfehlern in Bezug auf ihren Aufenthaltsort sein könnte.

Die Abschätzungen der Strahlenbelastung von Arbeitern in der Atomindustrie basieren sowohl auf den Messungen von Dosimetern, die in die Sicherheitsplaketten der Beschäftigten integriert sind (externe Strahlung), als auch auf Urintests (interne Strahlung). In Hanford und Oak Ridge sind die jährlichen Dosisabschätzungen aufgrund der Dosimeterablesungen für die meisten Arbeiter, die in die Studien aufgenommen wurden, vorhanden. Mitunter fehlen aber die Aufzeichnungen für bestimmte Jahre. Es kann vorkommen, dass Beschäftigte vergessen, ihre Plaketten durchgehend zu tragen. Auch sind Fehler bei der Erfassung und Zuordnung Hundertausender Dosimeterdaten unvermeidlich, und aufgrund unterschiedlicher Arten von Dosimetern und ihrer Erfassungsprogramme kann es zu veränderten Dosisschätzungen kommen. Trotz dieser Probleme ist die Verfügbarkeit individueller physikalischer Messungen über Strahlenbelastungen bei Beschäftigten in der Atomindustrie ein einzigartiger Vorteil für epidemiologische Untersuchungen in diesem Industriezweig.

Ergebnisse
Die LSS und berufsbezogene Untersuchungen sind in wesentlichem Maße auf die Daten von Totenscheinen angewiesen, um bestimmte Folgeerkrankungen wie Krebs identifizieren zu können. Trotz der nur begrenzten Informationen zum Gesundheitszustand, die auf Totenscheinen verzeichnet werden, sind wichtige Krebsarten genau dokumentiert; Krebsdiagnosen sind akkurater als die Diagnosen vieler anderer Todesursachen. Zusätzlich wurden Krebsregister in Hiroshima und Nagasaki herangezogen, um die Häufigkeit von Krebs einschließlich nicht tödlicher Fälle zu bestimmen, und die LSS berücksichtigte auch die Krankenakten vieler Überlebender. Die meisten betrieblichen Studien sind auf die Untersuchung spezifischer Todesursachen beschränkt, da verlässliche Informationen zu nicht tödlichen Krankheitsverläufen fehlen. Wegen unzureichender Informationen über nicht tödliche Krebserkrankungen und gutartige Krankheiten sind epidemiologische Studien nur eingeschränkt in der Lage, zu Fragen der allgemeinen Gesundheit, Risikofaktoren und der Notwendigkeit bestimmter Sicherheitsstandards Stellung zu beziehen.

Weder die betrieblichen Untersuchungen, noch die Studien über Atombombenüberlebende sind frei von Messproblemen und anderen Fehlerquellen. Trotzdem spielen die Untersuchungen an den Überlebenden bei der Beurteilung von Strahlungsrisiken eine vorrangige Rolle, und das trotz ihrer Fokussierung auf eine extreme Strahlenbelastung, Hinweisen auf selektives Überleben und ungelöster Fragen in Bezug auf fehlerhafte Schätzungen von Strahlungsdosen.

Betriebliche Studien, die sowohl niedrige als auch hohe Strahlenbelastungen untersuchen, den Vorteil individueller Dosismessungen bieten, nicht auf die Verlässlichkeit von Befragungen angewiesen sind und bei denen der Faktor der mit einem atomaren Angriff verbundenen Selektion der Überlebenden wegfällt, finden hingegen kaum Beachtung.

Arbeitsbezogene Untersuchungen werden damit gerechtfertigt, dass sie der Überprüfung des verlässlicheren Teils der Atombombenstudien dienen; die Zuverlässigkeit von Ergebnissen der betrieblichen Untersuchungen wurde an ihrer Übereinstimmung mit den Resultaten der Atombombenstudien festgemacht. Diese Praxis basiert auf der Annahme, dass die Ableitung der Risiken von niedriger Strahlungsbelastung aus Studien über hohe Belastungsdosen der Risikobeurteilung anhand von direkten Studien über niedrige Strahlendosen vorzuziehen sei, weil aus den Untersuchungen der Atombombenüberlebenden geschlossen wurde, dass die Belastung von Fabrikarbeitern im Normalfall zu niedrig sei, um messbare Auswirkungen zu produzieren.

Diskrepanzen zwischen Beschäftigtenstudien und Atombombenstudien werden ebenfalls ignoriert. Eine steigende Zahl von Beschäftigtenstudien legt den Schluss nahe, dass schon bei Dosen weit unter den gegenwärtigen betrieblichen Grenzwerten ein erhöhtes Krebsrisiko besteht, und dass - im Gegensatz zur LSS - die Anfälligkeit für karzinogene Strahlenbelastungen bei Erwachsenen mit dem Alter steigt. Anstatt jedoch die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, dass die LSS vielleicht nicht repräsentativ für die ursprünglich der Strahlung ausgesetzte Bevölkerungsgruppe ist, geht die Wissenschaft davon aus, dass die Beschäftigtenstudien fehlerhaft sind.

Stewart und ihre Mitarbeiter stellten als erste die allgemeine Zuverlässigkeit von Atombombendaten in Frage, nachdem sie die Zunahme von Krebserkrankungen bei Kindern beobachtet, sie mit Strahlenbelastungen in utero verglichen hatten und dabei feststellten, dass in den Atombombendaten keinerlei ähnliche Auswirkungen verzeichnet sind. Es folgte der Nachweis von Strahlungsrisiken in utero bei weiteren Bevölkerungsgruppen. Obwohl die Praxis der pränatalen Radiographie stark zurückging, wurde dieser Beweis für die Unzuverlässigkeit der Atombombenstudien in Bezug auf Niedrigstrahlung weithin ignoriert. Wie im Fall der Studien an den Beschäftigten in der Atomindustrie war einer der Hauptgründe, weshalb die nationale Kommission der Akademie der Wissenschaften zu den biologischen Auswirkungen ionisierender Strahlung (National Academy of Science Committee on the Biological Effects of Ionizing Radiation, BEIRV) Untersuchungsergebnisse über pränatale Strahlenbelastungen nicht anerkannte, die Tatsache, dass es unter Atombombenüberlebenden keine vergleichbaren Befunde gab.


Der kulturelle Kontext der Strahlenepidemiologie

Die Gründe, weshalb den Ergebnissen der Atombombenstudien eine solche Bedeutung beigemessen wird, sind zum Teil methodischer Natur, wie die außergewöhnliche Größe der LSS und der große Bereich an unterschiedlichen Strahlendosen. Diese Gründe erklären jedoch nicht, wieso Wissenschaftler und politische Entscheidungsträger vor dieser einen Studie derartige Ehrfurcht haben, während sie andere epidemiologische Untersuchungen wie die Beschäftigtenstudien, die den Atombombenstudien gegenüber gewichtige methodische Vorteile haben, ignorieren. In dieser Situation müssen wir wohl weiter nach Erklärungen für die Vormachtstellung von Atombombenstudien in der strahlenepidemiologischen Fachliteratur suchen.

Fast die gesamte Nuklearforschung in den Vereinigten Staaten liegt in den Händen der Regierung und großer militärischer Vertragsfirmen. Also sind Organisationen, die ein politisches und wirtschaftliches Interesse daran haben, Atomwaffen und die industrielle Nutzung nuklearer Technologie zu fördern, gleichzeitig verantwortlich für die Erforschung der gesundheitlichen Auswirkungen dieser Technologie.

Kürzlich freigegebene, vom Beratungsausschuss des Präsidenten zu Strahlenversuchen am Menschen (President's Advisory Committee on Human Radiation Experimentation) veröffentlichte Geheimdokumente lassen erkennen, welche Sorgen man sich über die Reaktion der Öffentlichkeit auf biomedizinische Forschung und Strahlenschutz machte. So besagte etwa eine Atomic Energy Commission-Notiz des "Oak Ridge Medical Advisor's Office" aus dem Jahr 1947: “Dokumente, die auf die Verunreinigung von Land und Wasser in der Umgebung von Einrichtungen der Atomenergiekommission Bezug nehmen, müßige Spekulationen über zukünftige genetische Auswirkungen von Strahlung sowie Dokumente, die sich mit potenziellen Gefahren für Arbeitnehmer beschäftigen, sind den Interessen der Regierung eindeutig abträglich. Jede derartige Veröffentlichung führt zu einer steigenden Zahl von Versicherungsforderungen, erschwert die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern und verschlechtert die öffentliche Stimmung.”

Anfängliche wissenschaftliche Befürchtungen, dass sich die Untersuchungen an Überlebenden aufgrund von Problemen bei der Datenerhebung und bei der Messung als nutzlos erweisen könnten, gerieten in Vergessenheit, als die Berichte kaum Belege für genetische Schäden durch Strahlung zu erbringen schienen. Bei jenen, die eine Erweiterung der Atomwaffen- und Atomenergieprogramme anstrebten, herrschte Erleichterung. Spekulationen über eine Beendigung der Atombombenstudien wurden von zusätzlichen finanziellen Mitteln und einem wachsenden Konsens über die Wichtigkeit von Untersuchungen an dieser einzigartigen Bevölkerungsgruppe zum Zweck der Erforschung gesundheitlicher Auswirkungen radioaktiver Strahlung auf den Menschen abgelöst. Berufliche Karrieren und ein wissenschaftlicher Literaturzweig erwuchsen aus den Studien an den Überlebenden.

Der sich entwickelnde Konsens über die Einschätzung von Strahlungsrisiken auf Grundlage der Atombombenstudien besagte Anfang der sechziger Jahre, dass ein Zusammenhang zwischen Strahlung und Krebserkrankungen bei Beschäftigten in der Atomindustrie nicht nachzuweisen sei. Die Bemühungen, Daten über Arbeitsplätze, Strahlendosen und Todesursachen zusammenzutragen, gingen nur langsam voran. Zum Teil lag dies an der geringen finanziellen Unterstützung im Vergleich mit den Mitteln, die für die Atombombenstudien zur Verfügung gestellt wurden. Die erste Beschäftigtenstudie in einer wissenschaftlichen Zeitschrift wurde 1977 veröffentlicht. Dort berichteten Mancuso, Stewart und Kneale von einem Zusammenhang zwischen Strahlenbelastung und Krebstodesfällen unter Hanford-Arbeitern.

Mancusos Vertrag wurde 1978 gelöst, und die Verantwortung für epidemiologische Studien über Beschäftigte in der Atomindustrie wurde Gruppierungen in Oak Ridge, Los Alamos und Hanford übertragen, die enge Verbindungen zum Energieministerium (DOE) und zu der Wissenschaftskultur hatten, die sich um die Atombombenstudien gebildet hatte. Gregg Wilkinson, von 1980-1987 Leiter der Untersuchungen an den Plutoniumarbeiterinnen und -arbeitern im Los Alamos National Laboratory, schrieb, dass der wissenschaftliche Konsens im DOE besagte, dass die Belastungen zu gering gewesen seien, um für die Krankheiten verantwortlich zu sein, die bei Beschäftigten auftraten. Als Reaktion auf seinen Bericht über ein erhöhtes Krebsrisiko unter Rocky-Flats-Arbeitern im Jahr 1987 wurde Wilkinson von seinen Vorgesetzten zurechtgewiesen, er solle schreiben, was dem DOE genehm sei, denn von dort kämen schließlich die finanziellen Mittel. Eine unabhängige Inspektion des Epidemiologieprogramms des Energieministeriums kam zu dem Schluss, dass die Geheimhaltung der gesamten Operation schade und bei Untersuchungen zu Gesundheit und Sicherheit völlig unangebracht sei.

Sogar bei freiem Datenzugang und ausreichenden Finanzmitteln werden Wissenschaftler, die gesundheitliche Strahlungsfolgen unter Beschäftigten in der Atomindustrie erforschen wollen, mit Einschränkungen zu kämpfen haben, die diese Wissenschaftskultur der Hypothesengewinnung, der Ausgestaltung, der Analyse und der Interpretation betrieblicher Studien auferlegt hat.

Seit über einem halben Jahrhundert wird die Erforschung der gesundheitlichen Auswirkungen von Strahlung stark von militärischen und industriellen Interessen beeinflusst. Diese Interessen sind so eng mit der wissenschaftlichen Kultur verwoben, dass sich Wissenschaftler, die an den dominierenden Forschungsprogrammen teilnehmen, möglicherweise gar nicht bewusst sind, welchen Einfluss Geheimhaltung, Autoritätshörigkeit und Missachtung der Interessen von Beschäftigten und der Öffentlichkeit auf die Kultur ihres Berufsstandes und den Arbeitsbereich haben, in dem ihre Forschungen stattfinden.

Ein Merkmal dieser wissenschaftlichen (Un)-Kultur ist die zunehmend anachronistische Bedeutung, die den Studien an Atombombenüberlebenden - einer ausgewählten Bevölkerungsgruppe, deren aus einem kurzen Ereignis resultierende Strahlendosis nicht gemessen wurde - in Bezug auf gesundheitliche Auswirkungen von Strahlung beigemessen wird. Ein weiteres Merkmal dieser Kultur ist die Benutzung der Atombombenstudien als Maßstab für Untersuchungen an Strahlung ausgesetzten Beschäftigten. Auf diese Weise werden betriebliche Studien trotz der einzigartigen Möglichkeit, die Wirkung niedrige Strahlendosen zu untersuchen, die durch individuelle Dosimeter quantifizierbar wären, lediglich zur Untermauerung der Atombombenstudien verwendet. Diese Betrachtungsweise trägt dazu bei, dass Gesundheitsstudien an Arbeiterinnen und Arbeitern nur zögerlich Aufmerksamkeit geschenkt wird, für die Sammlung medizinischer und radiologischer Daten nur unzulängliche Mittel zur Verfügung stehen und genaue analytische Verfahren fehlen, die für eigenständige epidemiologische Untersuchungen an Beschäftigten geeignet wären.

Wenn Forscher und politische Entscheidungsträger die einzigartigen Vorteile der Untersuchungen an Beschäftigten in der Atomindustrie zu schätzen lernen, wird diesen Studien ein größerer Stellenwert bei der Festlegung von Strahlungsnormen in Betrieben und der Umwelt beigemessen werden.

Steve Wing und David Richardson, Department of Epidemiology, School of Public Health, Universität Nordkarolina und Alice Stewart (verstorben), Department of Public Health and Epidemiology, Universität Birmingham

Dieser Text ist eine gekürzte Fassung eines Artikels, der unter dem Titel “The Relevance of Occupational Epidemiology to Radiation Protection Standards” in New Solutions, Volume 9, Number 2, 1999 erschien. Er wurde von Frank Süßdorf übersetzt.

 

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