Bereits im Mai 1943 notierte General Leslie Groves, Leiter des Manhattan Projekts, das beste Ziel für einen Atombombenabwurf sei die japanische Kriegsflotte. Der Hass auf die Japaner war groß. Nach dem Angriff auf Pearl Harbour 1941 startete der japanische Eroberungskrieg, der an Grausamkeit und Rücksichtslosigkeit dem deutschen Vernichtungsfeldzug gegen die Sowjetunion in Nichts nachstand. Bei der US-Eroberung von Iwo Jima (Februar 1945) und Okinawa (Juni 1945) starben zehntausende US-Soldaten. Der Kampf "Insel um Insel" war gnadenlos. Auch auf US-amerikanischer Seite nahm die Rücksichtslosigkeit was Menschenleben betraf zu. Der Luftangriff mit Brandbomben auf Tokyo kostete hundertausend Menschen das Leben.
Die Nachricht, dass Deutschland keine Atombombe entwickelte, stellte die Atomwissenschaftler in den USA vor eine ganz neue Situation. Für sie war die bisherige Arbeit an der Bombe politisch und moralisch gerechtfertigt, weil sie glaubten, auch in Hitler-Deutschland würde daran gearbeitet. Nun blieben als Gegner die Japaner, die allerdings ganz sicher keine solche Waffe entwickelten.
Als Argument wurde angeführt, dass die Atomwaffe von den USA fertig gestellt und in einem öffentlichen Versuch demonstriert werden müsse, um skrupellosen Mächten, die heimlich eine solche Bombe zu bauen versuchten, Einhalt zu gebieten. Damit meinte man vor allem die Sowjetunion.
Professor Joseph Rotblat, aus England zum Manhattan-Projekt gestoßen, berichtete 1985 in der Londoner "Times"-Zeitung über ein Gespräch mit Groves, das im März 1944 stattgefunden hatte: „In einer beiläufigen Unterhaltung sagte General Groves...„Ihnen ist natürlich klar, dass der wirkliche Zweck der Bombe der ist, unseren Hauptfeind, die Russen, niederzuhalten.”Bis dahin hatte ich gedacht, dass unsere Arbeit einen Sieg der Nazis verhindern sollte. Nun erfuhr ich, dass die Waffe, die bereitzustellen wir im Begriffe waren, gegen Russland gerichtet war.”
Neun Jahre nach dem Einsatz sagte Groves selbst im Rückblick:
„Es gab für mich von der Zeit an, als ich die Leitung des Projekts übernahm, nie irgendeine Illusion, dass Russland etwas anderes sei als unser Feind, und das Projekt wurde auf dieser Basis durchgeführt.”
Einer der Atomforscher , der damals in der Nähe von Groves arbeitete, behauptete, Groves sei von einer großen Furcht besessen gewesen: Dass der Krieg früher beendet sein könnte als seine Bombe fertig würde. Deshalb trieb er auch noch nach der Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 die Entwicklung der Waffe unaufhörlich an. Dennoch versuchte Leo Szilard, der ursprüngliche Initiator des Baus der US-amerikanischen Bombe, einen Einsatz auf Japan zu verhindern. Aus Furcht vor einer Nazi-Atombombe hatte er 1939 zusammen mit Albert Einstein die US-Regierung zum präventiven Bau der Bombe überredet. Nun fünf Jahre danach versuchte er, wiederum mit Einstein, den Einsatz zu stoppen. Die Briefe erreichten Roosevelt, der am 12. April 1945 starb, nicht mehr.
Bereits im Frühjahr 1945 bildete sich eine Studiengruppe im Manhattan-Projekt, um sich mit einer Auswahl des Ziels zu beschäftigen. Nach den von dieser Gruppe ausgearbeiteten Kriterien kamen vier japanische Städte in Frage: Hiroshima, Kokura, Nigata und Kyoto. Auf US-Kriegsminister Stimsons Befehl wurde die altkaiserliche Stadt Kyoto von der Liste gestrichen. Nachdem Truman Präsident geworden war, bildete sich eine Kommission mit Beteiligung von Kriegsminister Stimson, James Byrnes als Trumans Vertreter, Vertretern aus dem Außenministerium, von der Flotte und drei Wissenschaftlern. Eine Fachkommission von sieben Wissenschaftlern - einschließlich Oppenheimer, Fermi, Compton und Lawrence - sollte die Hauptkommission beraten, wobei fast alle als "Ja-Sager" galten. Nach Comptons Erinnerung ging es nicht darum, ob die Bombe eingesetzt würde, sondern lediglich wie. Diese Tatsache ist sicherlich auf die inoffizielle Beteilung von Groves zurückzuführen. Daher wurde am Abschluss der Tagungen im Mai und Juni Truman empfohlen, die Bombe gegen Japan so bald wie möglich einzusetzen, gegen eine militärische Anlage, die von Wohnhäusern und anderen leicht zu beschädigten Gebäuden umgeben sei, „ohne vorher auf die besondere Natur dieser Waffe warnend hinzuweisen”. Der Vertreter der Flotte, Ralph A. Bard zog seine Zustimmung für den Einsatz wegen dieses letzten Punktes zurück, weil er das als militärisch "unfair" empfand.
Am 11. Juni 1945 schrieben sieben Wissenschaftler aus Chicago an Stimson. Sie plädierten gegen einen Einsatz der Atombombe, um die Möglichkeit einer auf gegenseitigem Vertrauen gegründeten Rüstungskontrolle anzustreben. Gerade das notwendige Vertrauen würde durch einen Einsatz erschüttert, weil unterschiedslos Soldaten und Zivilisten getötet würden. Die Forscher warnten: „Die militärischen Vorteile und die Rettung amerikanischer Leben, die durch eine plötzliche Anwendung von Atombomben erreicht werden könnten, werden womöglich übertroffen durch den damit entstehenden Verlust an Vertrauen, durch die Welle des Grauens und der Ablehnung, die über den Rest der Welt gehen und vielleicht sogar unsere eigene öffentliche Meinung tief spalten wird.” Stattdessen schlugen sie vor, die Atombombe als Demonstration vor Vertretern aller Nationen in einer Wüste oder auf einer unfruchtbaren Insel explodieren zu lassen und danach eine internationale Vereinbarung zur Kontrolle einzusetzen. Die "Sieben von Chicago" suchten die Unterstützung der Fachkommission ohne Erfolg. Oppenheimer berichtete später: „Wir sagten, wir glauben nicht, dass unsere Fähigkeit als Wissenschaftler uns speziell dazu befähige, die Frage zu beantworten, ob die Bomben angewendet werden sollten oder nicht; die Meinung zwischen uns sei geteilt...” Der stärkste Widerstand gegen den Abwurf kam von E. O. Lawrence. Dennoch war damit die Hoffnung, einen Einsatz zu verhindern, verloren.
Ein Argument, das vor dem Einsatz sehr oft vorgetragen wurde und auch im Nachhinein noch für viele galt, ist die Behauptung, dass unzählige Menschen gerettet wurden, die sonst im weiteren Verlauf des Krieges gestorben wären. Durch die ungewöhnlich blutigen Kämpfe um die Insel Okinawa, wurde die amerikanische Öffentlichkeit sehr stark sensibilisiert. Darüber hinaus würde auch eine Invasion Japans Hunderttausende von Menschenleben kosten.
Dennoch wussten die Nachrichtendienste zu diesem Zeitpunkt, dass die Niederlage Japans unmittelbar bevorstand. Die Japaner hatten keine Lebensmittelvorräte oder Treibstoff mehr. Es gab sowohl gute militärische als auch diplomatische Erfolgschancen, die Japaner ohne einen Einsatz von Atomwaffen zu einer Kapitulation zu bewegen. Japan war dafür bereit. Im April nahm der japanischer Flottenattaché Fujimura Kontakt mit Mitarbeitern von Allen Dulles auf und erklärte sich bereit, auf seine Regierung Einfluss für eine Kapitulation zu nehmen. Militärattaché General Okamoto machte einen ähnlichen Vorschlag. Auf Veranlassung des japanischen Kaisers und durch die Vermittlung der Sowjetunion versuchte man seit dem 12. Juli zu einem Frieden mit den USA zu kommen. Dennoch waren die russischen Diplomaten seit Jalta nicht sonderlich an Frieden interessiert und gingen den japanischen Unterhändlern aus dem Weg. Die USA wusste jedoch vom japanischen Interesse am Frieden. Trotzdem erließ Truman 26. Juli 1945 auf der Potsdamer Konferenz eine Proklamation, die es die Japanern schwer machen musste, zu kapitulieren, ohne ihr "Gesicht" zu verlieren. Hätte er die enthaltenen Bedingungen durch diplomatische Wege vermittelt, ohne sie aller Welt über das Radio zu verkünden, wären sie vielleicht angenommen worden. Der US-Historiker Robert Butow schreibt: „Hätten die Alliierten dem Prinzen eine Woche Gnadenfrist gewährt, während der er die Unterstützung seiner Regierung für eine Zusage erreichte, so hätte der Krieg in den letzten Juli-Tagen oder ganz zu Beginn des Monats August ohne Atombombe und ohne sowjetische Teilnahme beendet werden können."
Literatur:
Auer, Peter: Von Dahlem nach Hiroshima. Aufbau-Verlag, Berlin 1995
Bastian, Till: Wahnwitz Atomkraft. Vom Anfang in Berlin bis heute. IPPNW, Berlin, 1995
Butow, Robert: Japans Decision to Surrender. Hoover Library Publication, Stanford University Press, 1954
Groves, Leslie: Jetzt darf ich sprechen. Köln-Berlin, 1965
Jungk: Heller als tausend Sonnen. Das Schicksal der Atomforscher. Rororo-Verlag, Hamburg 1964
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