Ein ereignisreicher Donnerstag

Nach 4 vollen Tagen in Aktion in der UN werden die Kaffeetassen größer, aber auch die Hoffnung und die Energie, all das in der Zukunft weiter zu tragen. Heute gibt es volles Programm und viele IPPNW-assoziierte Events den ganzen Tag über – also viel zu erzählen!

Wie auch die letzten Tage laufen im Hauptverhandlungsraum, dem Trusteeship Council, die 3MSP Morning & Afternoon Sessions rund um die Artikel des TPNW. Hier werden heute vor allem Fortschritte und ungelösten Punkte der verschiedenen Arbeitsgruppen bezüglich Umsetzung des TPNW (Artikel 5), Unterstützung des Opferschutzes und Umweltsanierung (Artikel 6&7) sowie der Scientific Advisory Group diskutiert.

10:00 Uhr Side Event “Beyond Uranium Mining – Global Roots of Nuclear Injustice”, das von ICAN Germany organisiert wird. In diesem unglaublich wichtigen Panel (so wie alle hier!) ging es um nukleare Gerechtigkeit – insofern es die überhaupt geben kann – und nukleare Ausbeutung durch koloniale Strukturen, die bis heute dem Westen dienen und v.a. Black and Indigenous People Of Colour in Staaten des Globalen Südens systematisch ausbeuten. Sei es für Uranabbau, oder die ungelöste Lagerung und Müllhalde von den atomaren Resten. In diesem Kontext einer Nuklearen Welt kann niemals globale Sicherheit und Gerechtigkeit entstehen!

Leona Morgan, von dem Diné People, ist eine indigene Aktivistin in nuklearer Abrüstung und nuklearer Dekolonisation. Sie kommt aus der Navajo Nation, die in den Bundesländern Utah, Colorado, Arizona, New Mexico liegt. Sie erzählt von den Ungerechtigkeiten in ihrem Land, und dem ewigen Kampf um Land- und Wasserrechte. Sie stellen sich gegen die größten Uranabbauindustrien, die sie bis heute aus ihrem Gebiet vertreiben, bzw „umsiedeln“, wie die USA es bezeichnen. Insgesamt gibt es über 500 verlassene Uranminen in ihrem Gebiet, und seit letztem Jahr noch eine neue im Grand Canyon, wo viele ihrer People leben, und täglich in ihrem Aktivismus ihre Existenz verteidigen.

Lori Johnston, aus dem Yamasi Indigenous People aus Turtle Island, erzählt vor allem von den immensen planetaren Gesundheitseffekten in ihrer Region. Sie betont die Wichtigkeit eines Trust Funds, um politische Arbeit um Opfer und Überlebende zu unterstützen und die planetaren Belastungsgrenzen zu schützen, Forschung von unabhängigen Wissenschaftler*innen, multilaterale Verträge. Der TPNW ist ein essenzielles Tool, um diese Ungerechtigkeiten abzuschaffen.

Isaiha Mongombe Mombilo, aus der Society Advocates for Congolese in South Africa, spricht über den Uranabbau und neokoloniale Ausbeutung des Kongo. Zitat: „Wir leben in einer Welt der Ungerechtigkeiten, und wir dürfen nicht vergessen, was vor 80 Jahren passiert ist. Jetzt ist die Zeit für uns alle zusammenzukommen, miteinander zu reden, und das Ende der Menschheit zu verhindern“.

Direkt danach war ich war heute um 11:30 Uhr bei einer Session zu den Nuclear Truth Protocols mit vielen verschiedenen Sprecher*innen aus betroffenen Gebieten. Moderiert wurde das Ganze von Pam Kingfisher und Dimity Hawkins, und organisiert vom Nuclear Truth Project (check it out!). Es ging vor allem um die großen Fragen, wie man die Stimmen und Erlebnisse von betroffenen Communities weitertragen, und Aufklärung auf beiden Seiten leisten kann, wenn Sprache und Grenzen versagen.

Karina Lester ist eine Yankunytjatjara-Frau aus der Western-Desert-Region in Südaustralien. Sie ist eine Überlebende der zweiten Generation der britischen Atomtests, die in den 1950er- und bis in die 1960er-Jahre auf ihrem Land durchgeführt wurden. Sie fragt sich: Wie kann man abgelegene Communities erreichen? In welchen Sprachen, wenn nicht in der traditionellen? Sie betont: “Unsere Geschichte ist wichtig, und so sind unsere Stimme und Sprache! Diese Arbeit kann sich einsam anfühlen, aber an Orten wie diesem kann sie auch Trost spenden – in dem gemeinsamen Ziel einer Welt ohne Atomwaffen.“ Sie beendet ihren Beitrag mit einem humorvoll motivierenden Kommentar: „Be careful out there, go get `em!“

Tamatoa Tepuhiarii kommt aus Ma’ohi Nui (Französisch Polyniesen) berichtet über die Schwierigkeiten die Erlebnisse und Forschung seines Volkes aus seiner indigenen Sprache Tahitianisch ins Englische oder Französische zu übersetzen, um sie der Welt zugänglich zu machen. Auch andersherum ist das schwierig: Wie bringt man geschichtliche Ereignisse und wissenschaftliche Daten beispielsweise über die Tests, die in den kolonialen Sprachen verfasst wurden, an die lokale betroffene Bevölkerung? „We need to create vocabulary that reflects.“

Yerdaulet Rakhmatulla ist ein junger Aktivist aus Qazaqstan und engagiert sich in vielen Projekten rund um nukleare Abrüstung, Qazaq Legacies, und Jugendbewegungen. Er erzählt von dem Konflikt zwischen russischer und qazaqischer Sprache sowie allen Dialekten, und der Wichtigkeit von dekolonialisierter Sprache. Er erinnert uns: „Behind every voice of one survivor, there are hundreds of people behind who have been silent behind them.“

Vertreter*innen der Marshallese Education Initiative sagen: „Frontline communities are often overexploided, underrepresented and underserved.” Es ist ein sehr komplexes Thema, da man zwar das Bewusstsein schärfen möchte, aber häufig erhalten die betroffenen Gemeinschaften nie Anerkennung oder Informationen darüber, was mit den Daten von Journalist*innen, Medien oder Wissenschaftler*innen passiert ist. “They want the stories, but they don’t want the sorrow that comes with it. They often practice what they are speaking against.“

Die Protokolle sind hier zu finden https://nucleartruthproject.org/protocols/ und ich empfehle wirklich jedem, sie einmal zu lesen!

Danach ging es weiter mit dem Side Event Gender and Nuclear Weapons. Sprecher*innen waren Dr. Jennifer Simons, President (Simons Foundation Canada) H.E. Ambassador Alicia Buenrostro (Deputy Permanent Representative of Mexico), H.E. Ambassador Teburoro Tito (Permanent Representative of Kiribati), Dr. Ivana Nikolic Hughes (President, Nuclear Age Peace Foundation), Senator Marilou McPhedran of Manitoba (CA), Rooj Ali (Reverse the Trend’s Canadian Coordinator).

Die genauen Punkte der Working Group sind hier verfügbar. Das Side-Event unterstreicht auf der einen Seite die wissenschaftlich belegten überproportionalen Auswirkung von Strahlung auf die Gesundheit von Frauen* und Mädchen. Folgen sind beispielsweise vielfach erhöhte Krebsraten (v.a. Brustkrebs), Unfruchtbarkeit, Fehlgeburten, Geburtstrauma, und Suizidraten. Wie in allen Konflikten in einer patriarchalen Welt, sind Frauen* stärker von Krisen betroffen, durch sozioökonomische Faktoren, wie weniger finanzielle Mittel für Flucht oder Heilung, größerer Anteil an Care Arbeit und Gesundheitsberufen. Sie sind unterschiedlichen Gewaltformen stärker ausgesetzt und weniger an der Entscheidungsfindung der Ursprünge sowie Lösungen dieser Krisen beteiligt. Frauen* sind weniger in Forschung repräsentiert und dadurch gibt es auch weniger Medizin, die für Frauen* genauso gut wirkt, wie für Männer. Auch ist Bildung in den meisten Ländern für Frauen* immer noch schwerer erreichbar, wodurch es große Wissenslücken und Einschränkungen gibt. Wir müssen Frauen* in allen Belangen der Welt, vor allem auch in der nuklearen Frage, in die Mitte der Diskussion stellen! Intersektionelle feministische Perspektiven in der nuklearen Abrüstung stehen für alle Stimmen und diskriminierte, unterrepräsentierte Communities, die zu wenig gehört werden. Wie Dr.Ivana Nikolic Hughes sagt: „It needs inclusive leadership in existential issues!“

Im größeren Bild geht es jedoch nicht nur um Geschlechter, sondern vor allem um Macht. Und Atomwaffen sind die größte Form von patriarchaler, kolonialer Machtauswirkung in unserer heutigen Welt. Es geht um Machtvergleich, Aufrüstung, Brutalität – toxische Maskulinität. Es wird allemal Zeit, nukleare Abrüstung von seinem „sanften, femininen, schwachen“ Label zu befreien, und es als einzige starke, solidarische und inklusive Möglichkeit für Frieden zu betrachten. Dieses Panel war wirklich – auch für mich als lange Feministin – unglaublich empowernd.

Im Raum gegenüber ging es um die Folgen von Atomwaffen auf Kinder, und wurde mitorganisiert von ICAN und Ira Helfand. Da ich mich aber heute nicht noch mehr aufteilen konnte, habe ich diese Session leider nicht mitgehört.

Nach einer (kurzen) Mittagspause und Fotoaktion draußen (endlich Tageslicht!!) sind wir weiter ins nächste Side Event gehopst. Jetzt geht es um Youth Voices for a Sustainable nuclear-free Future mit sehr vielen teilnehmenden Organisationen, u.a. die IPPNW, Marshallese Educational Initiative, Nuclear Age Peace Foundation, Qazaq Nuclear Frontline Coalition, Reverse The Trend, und Soka Gakkai International.

Dieses Side Event stellt die Stimmen von jungen Menschen aus der ganzen Welt zum Thema Atomwaffen in den Mittelpunkt und diskutiert die Rolle der Jugend bei der Schaffung einer atomwaffenfreien Welt. Auch wurden die Ergebnisse und Analysen der „Youth Peace Awareness Survey“ vorgestellt, die seit Januar 2025 läuft und sich an junge Menschen im Alter von 18 bis 35 Jahren in Australien, Japan, Kasachstan, den Marshallinseln und den Vereinigten Staaten richtet und 1300 Menschen befragt hat. Besonders eindrücklich war das Ergebnis der Frage „Do you think nuclear weapons are necessary to maintain global peace and security?”, bei der 76% mit “No” geantwortet haben. Auf die Frage „What prevents you from taking action for nuclear abolition?” wurde in den meisten Fällen (43%) mit “I don’t know what to do” geantwortet. Das zeigt uns eindeutig, dass der Wille da ist, aber wir mehr Möglichkeiten bieten bzw. darüber aufklären müssen, wie und was man aktiv tun kann! Molly McGinty, Program Director of IPPNW, nannte mehrere Aktionspunkte: “We need to strengthen cooperation and cooperation between international youth movements! Disarmament education must be action oriented! We need to hear from generations and affected communities! Fund the work and support youth! Listen to youth and let them shape the future!”

Es ist so toll und motivierend, so viele junge Menschen in diesen Räumen zu sehen, die aufstehen, für sich einstehen, und vor allem für Veränderung stehen. Trotzdem muss man natürlich bedenken, wie wenige die Chance haben, hier her zu kommen und direkt an den Debatten teilzunehmen. Daher ist es unser aller Verantwortung, all das weiterzutragen, und noch mehr junge Menschen anzusprechen und zu begeistern. Wir lernen nämlich nicht über Frieden, wir lernen über Krieg. Wir brauchen Friedensbildung in Schulen, an der Uni und im Alltag. Wir müssen wieder eine Kultur des Friedens kreieren und die fängt nun mal in der jungen Generation an!

Zum krönenden Abschluss heute Abend gab es ein Pub-Quiz mit vielen verschieden Themen, angefangen bei Popkultur bis hin zum Atomwaffenverbotsvertrag. Und die Fragen waren ziemlich knifflig!

Ein Beispiel: Welches UN-Mitgliedsland hat sowohl den kleinsten Vulkan der Welt, als auch den Farbfernseher erfunden?

Na, hättet ihr sie lösen können?

Bericht: Stella Zieger
Antwort: Mexiko

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