Der letzte Tag - Zeit für einen Rückblick

Jetzt ist Zeit für meine persönlichen Eindrücke. Im Jahr 2000 habe ich das erste Mal bei einer UN-Konferenz teilgenommen; damals als Teilnehmer der NPT-Delegation. Es war die erste Überprüfungs-Konferenz zum Atomwaffensperrvertrag. Große Demonstrationen wurden organisiert. Wohl 40.000 Menschen zogen durch Manhattan. Ich hatte mein gelbes IPPNW-Sport Trikot „Atomwaffen abschaffen“ an. Deshalb kann man mich auf den Fotos immer gut erkennen.

Wenn ich heute zu den Vereinten Nationen komme, habe ich das gleiche Gefühl wie 2000. Die UN sind unser politisches Zuhause.
Obwohl marginalisiert, hoffnungslos unterfinanziert, sicher oft bürokratisch, vielleicht in Teilen zu wenig effektiv – die Vereinten Nationen sind das Beste, was wir haben. Ist viel mehr als eine Organisation von Regierungen. Es ist ein Ort, an dem sich die „Gutwilligen“ mit all ihren Unterschieden treffen können. Ein Ort, an dem Visionen entwickelt werden, in der eine wahnsinnige Energie entstehen kann, um diese Welt gerechter und friedlicher zu machen.

Ich kann nur jedem und jeder wünschen, diese Erfahrung selbst zu machen.

„Frieden ist unterfinanziert“, so ist es im großen Lettern im UN-Hauptgebäude an der Wand zu Lesen. Die Stühle in der UN-Generalversammlung sind in einem bemitleidenswert Zustand und im Grunde reif für den Müll. Die Hälfte der Kopfhörer auf der Besucher-Bühne funktioniert nicht. Dies steht symbolisch für eine UN unter großem politischen Druck.

Ich lasse mich davon nicht entmutigen. Meine Begeisterung dafür, dass mithilfe der Vereinten Nationen eine bessere Welt möglich ist, auch heute in schlimmen Zeiten, ist ungebrochen. Ja, sie ist hier in dieser Woche wieder gewachsen.

Die Vielfalt politischer Aktivitäten und die Vielfalt politisch Aktiver, die gemeinsam für eine Welt in Frieden, Freiheit und ohne atomare Waffen streiten, ist überwältigend.

Politische Naivität können wir uns nicht leisten. Aber das was hier stattfindet, ist nicht naiv. Viele aus unseren Reihen haben große Kompetenz. Ich denke beispielhaft an die vorgestellten Untersuchungen zu den geschlechterspezifischen Unterschieden über Strahlenwirkung. So vieles könnte genannt werden. Ich denke an die für mich großartige  Arbeit einer Reihe engagierter Diplomatinnen und Diplomaten, darunter ganz vorne das diplomatische Chor unseres Nachbarstaates Österreich. Es dürfte doch eigentlich nicht so schwer sein für die Bundesrepublik Deutschland, der fabelhaften, außenpolitischen Abrüstungs-Bilanz unserer  Nachbarsrepublik nachzufeiern.

Die Woche hat angefangen mit der NGO-Veranstaltung in der historischen Riverside-Church in Haarlem, der Baptisten-Kirche, in der schon Martin Luther King historische Reden gehalten hat. Der für mich historische Moment, den ich persönlich mit der Riverside Church verbinde, ist aber die Rede vom damaligen UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, der einen Tag vor dem Beginn der NPT- Konferenz 2010 in der Riverside Church zur Gemeinde der NGO-Aktiven gesprochen hat.
Er sagte damals: „Die Abschaffung der Atomwaffen ist für mich persönlich mein wichtigstes politisches Anliegen.“ Das zu hören hat mich unheimlich berührt und gestärkt im Glauben, dass wir in der IPPNW das Richtige tun mit dem, für das sich so viele in unseren Reihen ehrenamtlich engagieren.

Nicht nur ist die IPPNW-Delegation, die hier vertreten ist, besonders groß. Sie besteht auch zudem aus einer Vielzahl von Medizin-Studierenden, nicht zuletzt aus Deutschland. Das ist einfach nur großartig.
Engagement, Begeisterung und Kompetenz der jungen Leute hier zu sehen, gibt  Hoffnung.
Neben der IPPNW, die die Förderung von Studierenden über Jahrzehnte zu einem zentralen Anliegen gemacht hat, gebührt auch ICAN großer Dank, dass es hier wieder geschafft wurde, Menschen aus allen Generationen zusammenzubringen.

Ich erinnere oft ein bewegendes Erlebnis in der deutschen UN-Botschaft im Jahr 2005 bei einem Round-table Gespräch mit Oberstufenschülern, die wir aus Deutschland mit nach New York City gebracht hatten. Das Gespräch Fans mit dem  damaligen deutschen Botschafter Friedrich Gröning und Vertreter statt. Einer der Oberstufenschüler stand auf und sagte: „Ich lehne es ab, Euer nukleares Erbe zu erhalten.“
Der deutsche Diplomat war so bewegt, dass er anfing zu weinen. Er sagte stotternd unter Tränen: „Das mit den Atomwaffen, das ist nicht so leicht“, um dann das Wort an sein Stellvertreter abzugeben, da er selbst nicht weiter sprechen konnte.

Ja, so ist leider wohl. Aber ohne unseren als kompetente Zivilgesellschaft kann es nicht gelingen.

Es grüßt aus New York City,
Lars Pohlmeier

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