IPPNW Presseinformation vom 8. August 2006

Behörden-Antworten zur Sicherheit deutscher AKW

Augenwischerei

Berlin- Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW hält die Antworten der Atomaufsichtsbehörden der Länder zur Zuverlässigkeit der Notstromversorgung in den deutschen Atomkraftwerken für Augenwischerei. "Erstens beschränken die Behörden ihren Blickwinkel auf die Notstromversorgung und ignorieren die grundlegende Sicherheitslücke, wonach es aufgrund von Kurzschlüssen und Unwettern überhaupt erst zu äußerst gefährlichen Anlagenzuständen kommen kann. Zweitens wird stillschweigend hingenommen, dass der so genannte Lastabwurf auf Eigenbedarf in deutschen Atomkraftwerken zur Stromversorgung über den Kraftwerks-eigenen Generator sehr häufig misslingt. Drittens vereinfacht man für die Öffentlichkeit die vielfältigen Detailprobleme im Bereich der Notstromversorgung und insbesondere die Gefahren, die von redundanzübergreifenden Fehlern bei der Wartung der Anlagen ausgehen", so IPPNW-Atomexperte Henrik Paulitz. "Im Jahr 2005 betrafen 17 Prozent aller offiziell gemeldeten Vorkommnisse die Notstromversorgung und hierbei insbesondere die Notstromdieselaggregate. Das zeigt, dass es sich hierbei um ein äußerst fehlerträchtiges Sicherheitssystem handelt, das jederzeit versagen kann."

Die IPPNW weist außerdem darauf hin, dass nach Angaben des TÜV Süd die Übertragbarkeit des schwedischen Störfalls auf deutsche Atomkraftwerke im weiteren Sinne noch völlig ungeklärt ist. Bezogen auf die bayerischen Atomkraftwerke schreiben die Gutachter: "Für weitergehende bzw. abschließende Aussagen zur mittelbaren Übertragbarkeit sind weitere detaillierte und belastbare Informationen zum Ablauf und zur Ursache des Ereignisses in der Anlage Forsmark 1 erforderlich (…)". Es sei insofern falsch, wenn die Länder eine Übertragbarkeit jetzt voreilig verneinen würden.

Bemerkenswert findet die Organisation auch die Öffentlichkeitsarbeit der hessischen Atomaufsichtsbehörde. Diese betone, dass es in den vergangenen 20 Jahren in Biblis nur zwei Notstromfälle in den Jahren 1988 und 2004 gegeben habe. "Betrachtet man aber einen Zeitraum von 20 Jahren und wenigen Monaten, dann hat man mit dem Notstromfall am 4. Mai 1986, nur wenige Tage nach der Katastrophe in Tschernobyl, noch einen dritten Notstromfall", so Paulitz. Auslöser war nichts weiter als ein Blitzschlag. Beim doppelten Notstromfall 1998 in Biblis A und B war es die Explosion eines 220-kV-Stromspannungswandlers. Beim Notstromfall am 8. Februar 2004 genügte ein Sturm, dass es in der Anlage zu einer gefährlichen Verkettung von Fehlern in der Kraftwerkssteuerung kam."

Nach Einschätzung der IPPNW gibt es in den deutschen Atomkraftwerken im Bereich der Notstromversorgung ganz erhebliche Sicherheitsdefizite im Detail, die bei einer Verkettung ungünstiger Umstände zur Katastrophe führen können. "Über diese zahlreichen Sicherheitslücken sprechen die Behörden und die Betreiber natürlich nicht gerne in der Öffentlichkeit."


Kontakt:
Henrik Paulitz, Tel.: 0621-39 72 668
Jörg Welke, Tel: 030-69 80 74 14
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW)
Körtestr. 10
10967 Berlin
Fax: 030-6938166
ippnw@ippnw.de
www.ippnw.de

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Ansprechpartner


Patrick Schukalla
Referent Atomausstieg, Energiewende und Klima
Email: schukalla[at]ippnw.de

Materialien

Titelfoto: Stephi Rosen
IPPNW-Forum 174
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