IPPNW-Pressemitteilung vom 20. Juli 2007

Reaktordruckbehälter seit Jahren mangelhaft

AKW Krümmel: Pfusch am Bau

Berlin - Angesichts der Diskussion um eine mögliche Stilllegung des Atomkraftwerks Krümmel weist die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW darauf hin, dass dessen Reaktordruckbehälter zahllose grobe Fertigungsmängel und Materialfehler aufweist. Das Kernstück des Kraftwerks entsprach zum Teil schon vor der Inbetriebnahme der Anlage im Jahr 1983 nicht mehr den sicherheitstechnischen Anforderungen.

So statuierte der TÜV Nord bereits am 29. November 1974 eine unzureichende Durchvergütung der Bleche für den zylindrischen Mantel des Reaktordruckbehälters. Hierdurch könne atomarer Wasserstoff in den Stahl einwandern, in Fehlstellen rekombinieren und so hohe Drücke aufbauen. Es sei mit höherer Anfälligkeit gegen Wasserstoffversprödung zu rechnen. Die Fehlstellen könnten die Ultraschallprüfbarkeit und Fehlererkennbarkeit beeinflussen.

Am 16. Dezember 1975 war in einem Krisengespräch der Stahl des Druckbehälters Gegenstand von Fachdiskussionen. Seitens des damals zuständigen Bundesinnenministeriums wurde erklärt, dass der Stahl des Typs 22 NiMoCr 37 möglicherweise nicht mehr genehmigungsfähig sei. Erst auf Wider¬spruch von RWE einigte man sich dann auf die Formulierung, Stahl dieses Typs sei "verwendungsfähig".

Hinzu kommt laut IPPNW, dass bei fast allen für den Reaktordruckbehälter verwendeten Blechen Unterschreitungen der spezifizierten Festigkeit vorliegen (in Œ Blechdicke und besonders in Blechmitte). Dem Bauüberwachungsbericht des TÜV Nord vom 11. Oktober 1977 zufolge liegen lediglich "ausreichend gute" Werte nur im Oberflächenbereich vor.

Schon seit Betriebsbeginn besteht in Krümmel ein erhöhtes Risiko für das Entstehen von Spannungsrissen. Das liegt daran, dass die in Italien hergestellten Einzelringe für den Reaktordruckbehälter nicht passgenau gefertigt worden waren. An der Baustelle vor Ort mussten sie daher mittels Hydraulikpressen zusammengefügt werden. Als Folge traten an zwei Rundschweißnähten (CW34 und CW78) unzulässige "Kantenversätze" auf. Laut Spezifikation waren damals Kantenversätze von 8 Millimetern zulässig, heute sind nur noch 3 Millimeter zulässig. In Krümmel betrug aber der maximale Kantenversatz im Bereich der Schweißstellen des Reaktordruckbehälters 23 Millimeter.

Dr. Wolfgang Kromp vom Institut für Risikoforschung der Universität Wien kritisierte das Vorgehen mittels Hydraulikpressen als "geradezu abenteuerlich und völlig unzulässig", weil es die Gefahr berge, dass der Druckbehälter versage, berste oder explodiere. Seiner Meinung nach hätten die Einzelteile damals ins Herstellungswerk zurückgeschickt werden müssen und dort unter geeigneter Wärmebehandlung instand gesetzt werden müssen (vgl. hierzu die Sendung "Monitor" vom 29.8.1996).

Auch die Bundesanstalt für Materialprüfung wies im Jahr 1996 auf mögliche problematische Wechselwirkungen der Kantenversätze mit anderen Abweichungen hin, wie Unrundheit des Reaktordruckbehälters, Wanddickendifferenz, Resteigenspannung durch Anwendung von Hydraulikpressen, unzureichende Vergütung der Mantelbleche sowie Blechdickenunterschreitungen.

Die IPPNW fordert, jetzt die veralteten Atomkraftwerke abzuschalten, bevor es zu spät ist, und das Atomkraftwerk Krümmel nicht wieder ans Netz gehen zu lassen.

Kontakt:

Dr. Hayo Dieckmann (IPPNW, Kläger der Krümmel-Klage), Tel. 0174-375 18 35

Henrik Paulitz, Fachreferent Atomenergie, Tel. 0171-53 888 22

zurück

Navigation