Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW begrüßt die Vorverteilung von Jodtabletten in Aachen als sinnvolle Vorsorgemaßnahme gegen Schilddrüsenkrebs im Falle eines Atomunfalls in belgischen Atomkraftwerken. Der IPPNW-Vorsitzende und Kinderarzt Dr. med. Alex Rosen dazu: „Damit kommt zumindest diese Kommune einer Forderung nach, die Ärztinnen und Ärzten schon seit den Erfahrungen mit Tschernobyl erhoben haben. Auch in Aachen ging die politische Entscheidung zur Vorverteilung von Jodtabletten an die Bevölkerung von einer Initiative der IPPNW aus, die die Lokalpolitiker mit den möglichen gesundheitlichen Konsequenzen einer Atomkatastrophe konfrontierte. Ähnliche Vorverteilungen müssen nun auch in anderen Kommunen erfolgen, in deren Umgebung noch Atomkraftwerke betrieben werden.“
Die IPPNW kritisiert allerdings, dass in Aachen Jodtabletten nur an Personen bis zum Lebensalter von 45 Jahren vorverteilt werden sollen. Die IPPNW empfiehlt, die Jodblockade im Fall einer Atomkatastrophe in jedem Lebensalter durchzuführen, vom Säugling bis zum alten Menschen. Die Empfehlung, eine prophylaktische Jodblockade auf Menschen bis zum Alter von 45 Jahren zu begrenzen, ist nach Auffassung der IPPNW überholt, da nach der Katastrophe von Tschernobyl in den radioaktiv belasteten Gebieten eine erhebliche Zunahme von Schilddrüsenkrebs auch bis ins hohe Alter nachgewiesen wurde. Bei Menschen über 45 Jahren sowie bei jüngeren Menschen mit Verdacht auf eine Schilddrüsenerkrankung, bei Häufung von Schilddrüsenerkrankungen in der Familie sowie bei Bewohnern von Jodmangelgebieten empfiehlt die IPPNW allerdings eine Beratung beim Hausarzt und im Bedarfsfall eine weiterführende Untersuchung zum Ausschluss von latenten Schilddrüsenerkrankungen vor Einnahme der hochdosierten Jodtabletten.
„Die wichtigste und vordringlichste Maßnahme zum Schutz der Bevölkerung ist jedoch die Stilllegung aller Atomkraftwerke – nur so kann eine Katastrophe wie in Three Mile Island, Tschernobyl oder Fukushima wirklich verhindert werden,“ so Dr. Rosen. „Dies gilt aktuell insbesondere für die besonders gefährdeten Siedewasserreaktoren in Gundremmingen, die maroden Atomkraftwerke Doel und Tihange in Belgien, Cattenom und Fessenheim in Frankreich, Leibstadt in der Schweiz und Temelin in Tschechien. Nur ein umfassender Atomausstieg in Europa schützt vor den Gefahren dieser Risikotechnologie, da Jodtabletten lediglich vor radioaktiv bedingten Schilddrüsenerkrankungen schützen, nicht aber vor den sonstigen Strahlenfolgen eines Super-GAU.“
Weitere Informationen:
IPPNW-Empfehlung bei Atomreaktorunfällen zum Schutz der Schilddrüse mit speziellen Jod-Tabletten (Jodblockade)
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