14.12.2016 Im Auftrag der IPPNW hat die Beratungsfirma Intac GmbH untersucht, wie auf die so genannte 'Freigabe' von Abrissmaterial von stillgelegten Atomkraftwerken verzichtet werden könnte. In Betracht käme laut Intac-Experte Wolfgang Neumann ein Stehenlassen der Atomkraftwerksbauten nach Entkernung, also nach Entfernung der hoch-, mittel- und schwach aktiven Materialien. Eine zweite Alternative wäre ein vollständiger Rückbau der Atomkraftwerke und die dauerhafte Lagerung der gering radioaktiven Restabfälle in einem Bunker am Standort.
Option 'Stehenlassen nach Entkernung'
Bei der IPPNW-Option eines dauerhaften 'Stehenlassens nach Entkernung' müssten zunächst alle als radioaktive Abfälle zu behandelnden Teile und Bereiche aus den Gebäuden entfernt werden ('Entkernung'). Anschließend würden, mit Ausnahme eines Zugangs zur Begehung, alle weiteren Zugänge und Gebäudedurchführungen bautechnisch verschlossen werden. Bei der Entkernung angefallene gering radioaktive Materialien müssten in einem der Gebäude in speziellen Behältern verwahrt werden.
Entsprechende Maßnahmen wurden beim 'Sicheren Einschluss' von Atomkraftwerken in Deutschland in der Vergangenheit genehmigt und durchgeführt. Eine entsprechende Vorgehensweise wird für einen 'Sicheren Einschluss' auch in der Referenzstudie zur Stilllegung deutscher Atomkraftwerke empfohlen. Es gibt also laut Intac „keine grundsätzlichen Zweifel, dass auch ein ‚'Stehenlassen‘, wie es von IPPNW vorgeschlagen wird, möglich ist.“ Dies gilt insbesondere, weil das Radioakti¬vitätsinventar in diesem Fall um mehrere Größenordnungen geringer wäre als beim gewöhnlichen, zeitlich auf rund 30 Jahre befristeten, 'Sicheren Einschluss'.
Mit dem 'Stehenlassen nach Entkernung' kann die Freigabe gering radioaktiver Materialien in den konventionellen Stoffkreislauf vermieden werden. Das heißt, es findet keine unkontrollierte Verbreitung von Radionukliden durch uneingeschränkte Freigabe in die Umwelt statt und es gibt neben den Atomkraftwerksstandorten keine weiteren Standorte (Deponien, Verbrennungsanlagen, Metallschmelzen, Schrotthändler), an denen mit gering radioaktiven Materialien umgegangen werden muss.
Option 'Vollständiger Rückbau mit Bunker'
Der Gesetzgeber sieht offenbar vor, die Option 'Sicherer Einschluss' zu verlassen und den von den Atomkraftwerksbetreibern favorisierten Rückbau der deutschen Atomkraftwerke als verpflichtenden Regelfall festzuschreiben. Auch unter diesen rechtlichen Voraussetzungen könnte auf die vielfach kritisierte 'Freigabe' von gering radioaktivem Abfall verzichtet werden, wie aus der Intac-Stellungnahme hervorgeht.
Für die IPPNW-Option 'Vollständiger Rückbau mit Bunker' würde auf dem Gelände des Atomkraftwerks ein neues robustes Bauwerk ('Bunker') errichtet werden. Dort würden alle, bei Stilllegung und vollständigem Abbau des Atomkraftwerkes anfallenden, gering radioaktiven Materialien gelagert werden. Der hoch-, mittel- und schwach aktive Atommüll würde auch bei dieser Option selbstverständlich einer 'Endlagerung' zuzuführen sein.
Die bei der Entkernung der Systeme, Komponenten, Betonstrukturen und Anlagenteile anfallenden gering radioaktiven Materialien könnten dann, nach ihrer Verpackung in spezielle Behälter, direkt in dieses Bauwerk eingelagert werden. Gleiches könnte anschließend mit den als kontaminiert unter Verdacht stehenden Abrissmaterialien der Gebäude erfolgen.
Auch mit einer solchen Bunkerlösung könnte die Freigabe gering radioaktiver Materialien in den konventio¬nellen Stoffkreislauf vermieden werden. Laut Intac ist davon auszugehen, dass bei dieser Option „die Verbreitung von Radionukliden in die Umwelt weitestgehend verhindert wird“.
Fazit
Unter Beachtung des Minimierungsgebotes der Strahlenschutzverordnung ist auf die Freigabe gering radioaktiver Abrissmaterialien zu verzichten. Es besteht die Möglichkeit, diese Materialien an den Atomkraftwerksstandorten zu belassen, statt sie per Freigabe aktiv zu verbreiten und in den Wirtschaftskreislauf zu überführen, wo Menschen zwangsläufig mit ihnen in Kontakt kommen werden. Die IPPNW fordert den Gesetzgeber und die Aufsichtsbehörden auf, die Empfehlungen der Intac-Stellungnahme zu prüfen und angemessene Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.
Von Henrik Paulitz
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