IPPNW-Pressemitteilung vom 29.11.2019

Energiewende nicht weiter ausbremsen

"Klimapaket" der Bundesregierung

29.11.2019 Die Ärzteorganisation IPPNW kritisiert den Versuch der Bundesregierung, die Windkraftnutzung an Land massiv einzuschränken und damit die Energiewende weiter auszubremsen. "Ohne den zügigen Ausbau der erneuerbaren Energieproduktion, gekoppelt an massive Investitionen in Speicher- und Wiederverstromungstechnologien, ist die Energiewende und damit die Einhaltung der Klimaziele nicht zu bewältigen," so der IPPNW-Vorsitzende Dr. Alex Rosen.

Die Produktion und Nutzung fossiler Energie ist die wesentlich Ursache der Klimakatastrophe. Zudem führt die Abhängigkeit von fossilen und atomaren Energieträgern zu einer Politik, in der wirtschaftliche Interessen militärisch gesichert und durchgesetzt werden und weltweit bewaffnete Konflikte um Rohstoffe geführt werden. Dies ist erst kürzlich durch die Ankündigung der Bundesverteidigungsministerin deutlich geworden, die ein größeres militärisches Engagement zur Sicherung der deutschen Interessen forderte.

Die Atomindustrie, die oft von den selben Großkonzernen betrieben wird, die auch die Gas- und Kohleverstromung betreiben, trägt zudem nachweislich zur nuklearen Proliferation und Aufrüstung bei, da ohne die öffentlich subventionierte Infrastruktur einer zivilen Nutzung der Atomenergie militärische Atomprogramme heutzutage nicht möglich sind. Die zivile und die militärische Atomindustrie sind zwei Seiten der selben Medaille und Atomenergie keine Lösung für die drohende Klimakatastrophe.

Fossile und atomare Energiegewinnung bedrohen die öffentliche Gesundheit - erstere durch schädliche Feinstaubbelastung, Umweltzerstörung und klimaschädliche Gase, die die globale Erwärmung befördern, letztere durch das Risiko atomarer Kernschmelzen und die Freisetzung von ionisierender Strahlung auch im Normalbetrieb. Beide Energieformen fördern den Raubbau an Umwelt und Natur und führen zu schweren Menschenrechtsverletzungen in den rohstoffliefernden Ländern. Deshalb fordert die IPPNW den schnellstmöglichen Ausstieg aus der fossilen und atomaren Energieproduktion und setzt den Warnungen der Energiekonzerne vor einem zu schnellen Kohleausstieg die Erkenntnisse der Scientists for Future entgegen, die wiederholt darauf hingewiesen haben, dass ein rascher Ausstieg nicht nur möglich, sondern auch notwendig ist.

“Drohungen der Energiewirtschaft, dass in Deutschland die Lichter ausgehen, wenn wir zu schnell aus Kohle- und Atomstrom aussteigen sind so vorhersehbar wie sie falsch sind und sich in der Vergangenheit als falsch erwiesen haben. Es ist eine Frage der Priorisierung von menschlicher Gesundheit gegenüber Profiten, ob wir in der Lage sein werden, den Herausforderungen unserer Zeit mit dem nötigen politischen Willen, dem nötigen gesellschaftlichen Engagement und den nötigen technischen Innovationen begegnen werden oder weiter mit Sachzwängen argumentieren wollen, die erst durch jahrzehntelange politischer Untätigkeit, gesellschaftlicher Verdrängung und (technischen) Fehlinvestitionen entstanden sind,” so Rosen.

Daher spricht sich die IPPNW sowohl gegen die von der Industrie geforderten Verlangsamung des Kohleausstiegs aus als auch gegen den geforderten massiven Neubau von Gaskraftwerken, die vor allem russisches Erdgas oder US-amerikanisches Frackinggas verfeuern würden, und durch die Produktion von klimaschädlichem Methan die Erderwärmung noch nachhaltiger vorantreiben würden als derzeit Kohlekraftwerke.

Eine echte Energiewende bedingt zwangsläufig die Veränderung von Konsum- und Mobilitätsverhalten, z.B. durch Anreize und Kostenregulation zum Einsparen von Energie. IPPNW-Vorstandsmitglied Dr. Katja Goebbels sagt dazu: „Wir dürfen uns nicht der Illusion hergeben, dass wir die Klimaziele erreichen und die Energiewende umsetzen können, ohne dass wir etwas an unserem Verhalten ändern. Die Erkenntnisse der Klimaforschung erfordern ein gesellschaftliches und individuelles Umdenken und schnelles Handeln, wenn wir die weltweite Klimakatastrophe noch verhindern wollen. “

Die IPPNW setzt sich daher für eine nachhaltige, im Einklang mit Umwelt und Natur stehende Energiewirtschaft ein, auf der Basis eines sparsamen und effizienten Umgangs mit Energie, einer Energieproduktion aus erneuerbaren Quellen mit einer möglichst positiven ökologischen, sozialen und gesundheitlichen Bilanz. Dies umfasst:

  • Den schnellstmöglichen Ausstieg aus der Gas-, Öl- und Kohleverfeuerung sowie aus der gefährlichen Atomenergie
  • Die Förderung des Ausbaus einer dezentralen erneuerbaren Energiewirtschaft, die unabhängig ist von fossilen und atomare Rohstoffimporten
  • Massive Investitionen in die Forschung und Entwicklung von effizienten Speichertechnologien, Smart Grids und Demand Side Management sowie in Maßnahmen zur Sektorenkopplung, zur überregionalen Vernetzungen und zum sparsamen und effizienten Einsatz von Energie
  • Über die nötigen Umbauten in der Energiewirtschaft hinaus ein gesellschaftliches und politisches Umdenken, das Wachstum nicht mehr als Selbstzweck versteht und Konsum- und Mobilitätsverhalten kritisch hinterfragt und nachhaltigere Alternativen erprobt.

Die IPPNW ist Mitglied in der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) und beteiligt sich zusammen mit KLUG sowie den Psychologists for Future und den Fridays for Future Charité Studierenden am heutigen Globalen Klimastreik in Berlin. Der „Gesundheitsblock“ trifft sich in weißen Kitteln um 11.30 Uhr vor der „Akademie der Künste“ am Pariser Platz.

Kontakt: Angelika Wilmen, Pressesprecherin der IPPNW, Tel. 030-69 80 74-15, Mobil 0162 - 2057943, Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW)

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Ansprechpartner


Patrick Schukalla
Referent Atomausstieg, Energiewende und Klima
Email: schukalla[at]ippnw.de

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