Etwa 22.000 britische Soldaten, 16.000 Australier, über 500 Neuseeländer und etwa 400 Männer aus Fidschi hatten in den 50- und 60-er Jahren an Atombombentests auf Christmas Island (heute ein Teil von Kiribati) und in Australien teilgenommen. Etwa ein Zehntel der britischen Testteilnehmer hat sich vor Jahren zur "British Nuclear Test Veterans Association" zusammengeschlossen. Von diesen 2.200 Soldaten ist bereits ein Drittel gestorben, der überwiegende Teil an Krebsarten, die in den USA als durch Strahlung verursacht anerkannt werden. In Großbritannien ist bisher nur eine einzige Krebsart als durch Strahlung verursacht anerkannt. Und obwohl feststeht, dass viele Testteilnehmer an verschiedenen Formen von Blutkrebs leiden, verteilt das britische Verteidigungsministerium noch heute Unterlagen, in denen steht, dass die Testteilnehmer auf Christmas Island in den Jahren 1956 und 1964 nur 35 % der radioaktiven Strahlung, die sie während dieser Zeit in ihrer Heimat erhalten hätten, ausgesetzt waren.
Aufgrund dieser enormen Diskrepanz zwischen ihrem eigenen Gesundheitszustand und den offiziellen Re-gierungsverlautbarungen beauftragte die Test Veteran Association Sue R. Roff von der Universitätsklinik in Dundee (Schottland) mit genaueren Er-hebungen. Die-se zeigten weitaus höhere Er-krankungszahlen bei den zwei Blutkrebsarten, die auch in den Regierungsstudien 1988 und 1993 auftauchten, sowie ein auffallend hohes Vorkommen von zwei weiteren Blutkrebsarten.
Außerdem ergab sich, dass viele ehemalige Testteilnehmer Probleme mit dem Verdauungstrakt haben, manche hatten bereits Durchfälle direkt nach den Tests, die nie ganz aufgehört haben. Die meisten Soldaten hatten keine Schutzkleidung getragen, nur Sandalen und eine Art Overall, und saßen mit dem Rücken zur Bombe, wo sie oft Verbrennungen erlitten. Dies könnte die Häufung von Rückenproblemen erklären. Überdurchschnittlich hoch sind auch Hautkrankheiten, die außerdem gehäuft bei den Kindern der Atomtestteilnehmer auftreten.
Bei Kindern und Enkeln fällt auch die sehr hohe Rate an Skeletterkrankungen auf, bis hin zu einer extremen Häufung an Spina Bifida (Spalt in den Wirbelbögen). Ein bestimmtes Krankheitsbild mit zu langen Knochen, Augenproblemen u.a. taucht gehäuft bei Kindern von Testveteranen in Neuseeland auf. Vermutlich erkranken auch Kinder, deren Väter Radioaktivität ausgesetzt waren, eher an Leukämie als andere Kinder. Auffällig bei den verschiedenen Krebsarten ist: Die Probleme wurden umso größer, je niedriger die Dosis war, die die Soldaten abbekommen hatten. Manche hatten 12 Monate lang ständig unter niedriger Dosis gearbeitet. Bei dieser "Low dose chronic irradiation" kommen irgendwann die Reparaturmechanismen der Zelle nicht mehr nach, was offenbar zu schlimmeren Folgen führen kann als eine kurzzeitige Bestrahlung mit höherer Dosis, bei der die betroffenen Zellen gleich absterben.
Bei all diesen epidemiologischen Untersuchungen benötigt man immer Kontrollgruppen (deren Auswahl wiederum interessenbestimmt sein kann), und nicht selten rechneten bisher die von Regierungen be-auftragten Experten so lange an den Statistiken herum, bis das Er-gebnis stimmt. Außerdem kann bei diesem Ansatz die Kausalität (dass es eben nur die radioaktive Bestrahlung gewesen sein kann, die diese Gesundheitsschäden verursacht) nicht bewiesen werden.
Durch einen völlig neuen wissenschaftlichen Ansatz läßt sich in Zukunft auch im Einzelfall die Ursache der Gesundheitsschädigung nachweisen. Mit der Methode der "Radiobiological Study" kann sogar ziemlich genau der Zeitpunkt be-stimmt werden, an dem die betreffende Person der radioaktiven Be-strahlung ausgesetzt war. Benötigt werden lediglich frische Blut- und Speichelproben. Da gewisse Chromosomenschäden nur in einem be-stimmten zeitlichen Ablauf auftreten können ("serial breaks"), gibt die Art der DNA-Bruchstücke Aufschluss über den Zeitpunkt der Belastung des Betroffenen mit z.B. Radioaktivität, Rauchen oder Umweltgiften. Die dazu benötigte Fluoreszenzflüssigkeit sowie die gesamte Hochtechnologie ist teuer. Pro Person muss mit etwa 3000 DM gerechnet werden.
Aus dem Pazifik-Rundbrief Dezember 2000
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