Atomkraftwerk Kashiwazaki-Kariwa

Siedewasserreaktoren der 3. Generation in Japan

18.10.2017 Im Oktober 2017 hat die japanische Atomregulierungsbehörde grünes Licht für die Wiederinbetriebnahme von zwei Blöcken im weltgrößten Atomkraftwerk Kashiwazaki-Kariwa gegeben. Bei den Blöcken 6 und 7 handelt es sich um Siedewasserreaktoren der 3. Generation, um Anlagen vom Typ „Advanced Boiling Water Reactor”. Der Reaktortyp weist schwerwiegende Sicherheitsmängel auf.

Baubeginn der beiden „fortgeschrittenen“ Atomkraftwerksblöcke 6 und 7 am Standort Kashiwazaki-Kariwa an der Küste des Japanischen Meeres waren die Jahre 1992 bzw. 1993. Die Inbetriebnahme erfolgte 1996/97. Die elektrische Leistung liegt im Bereich von jeweils gut 1300 Megawatt. Am Standort befinden sich noch fünf weitere Siedewasserreaktoren älterer Bauart, die zwischen 1980 und 1994 errichtet wurden (Blöcke 1 bis 5).

 

Der ABWR

Der Advanced Boiling Water Reactor (ABWR, deutsch: „Fortgeschrittener Siedewasserreaktor“) ist ein Siedewasserreaktor der 3. Generation. Die Entwicklung dieses Reaktortyps begann 1978. Der ABWR beruht auf einem Anlagedesign von General Electric, entwickelt wurde er in Japan von Hitachi und Toshiba.

Weltweit sind lediglich vier ABWR-Reaktorblöcke in Betrieb – alle befinden sich in Japan: Neben Kashiwazaki-Kariwa handelt es sich um Block 2 des Atomkraftwerks Shika und um Block 5 der Anlage Hamaoka. Zwei weitere ABWR-Reaktoren befinden sich im taiwanischen Kernkraftwerk Lungmen (Block 1 und 2) seit 1999 „in Bau“.

Zu den wesentlichen sicherheitstechnischen Neuerungen, der den ABWR zu einem Konzept der 3. Generation macht, zählt der Einsatz „passiver Sicherheitssysteme“. So verfügt er - ebenso wie der Europäische Druckwasserreaktor (EPR) – über einen großen Ausbreitungsraum für eine Kernschmelze, der sie besser kühlbar macht. Ferner existiert eine passive Containment-Kühlung.

Die Steuerstäbe, die wichtigste Sicherheitseinrichtung eines Atomkraftwerks, werden beim ABWR durch Schraubmechanismen bewegt, anstatt durch eine schrittweise Bewegung.

 

Wiederholte Anlagenstillstände in Kashiwazaki-Kariwa

  • Die Blöcke 6 und 7 in Kashiwazaki-Kariwa wurden immer wieder für längere Zeit vom Netz genommen:
  • Infolge eines Skandals bei der Betreiberfirma Tepco im Jahr 2003 wurden sie zur Überprüfung heruntergefahren.
  • Ein schweres Erdbeben im Jahr 2007 führte zu einer lang andauernden Abschaltung.

Infolge der Nuklearkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 wurden die Reaktoren nach dem Brennelementewechsel nicht wieder angefahren.

Sechseinhalb Jahre nach der Katastrophe von Fukushima hat der Anlagenbetreiber Tepco im Oktober 2017 erstmals wieder eine Genehmigung zum Betrieb der beiden Blöcke in Kashiwazaki-Kariwa bekommen. Dennoch werden sie wohl erst in einigen Jahren wieder Strom produzieren können, da der Gouverneur der betroffenen Provinz Niigata ein Wiederhochfahren bislang ablehnt. Auch gibt es Klagen von Bürgern.

 

Defizite des Abschaltsystems

Bisherige Störfälle in den vier ABWR-Anlagen erbrachten erhebliche Sicherheitsmängel und den Bedarf einer besseren Auslegung der Sicherheitssysteme für den Fall einer Notabschaltung und zum Vermeiden eines Kernschmelz-Unfalls.

Im „Status report 98 - Advanced Boiling Water Reactor II (ABWR-II)” wurde daher die Notwendigkeit für die Entwicklung eines verbesserten Reaktortyps mit der Bezeichnung ABWR-II gesehen, der in Japan entwickelt wird.

Der ABWR-II soll größere Brennstoffbündel, bessere Sicherheitsmerkmale für den Störfall, kürzere Wartungszeiten und einen flexibleren Brennstoffkreislauf haben. Die Anzahl der Brennstoffstäbe im Reaktorkern soll im Vergleich zum ABWR um die Hälfte verringert werden. Die Kontrollstäbe sollen größer ausgelegt werden, sodass ein Brennstoffbündel im Reaktorkern zwei Kontrollstäbe zugewiesen bekommt. Der ABWR-II soll einen besseren Abschaltmodus als sein Vorgängermodell haben.

Das deutet darauf hin, dass mit den Kontrollstäben das wichtigste Sicherheitssystem des „fortgeschrittenen“ ABWR schwerwiegende Mängel aufweist.

Von Henrik Paulitz

 

 

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Materialien

Titelfoto: Stephi Rosen
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