Bündnispressemitteilung vom 22.11.2024

Sicherheitsbedenken der Einwender*innen vielfach bestätigt

Erörterungstermin in der Brennelementefabrik Lingen

Kurz vor Abschluss des dreitägigen Erörterungstermins zum Ausbau der Brennelementefabrik Framatome ANF in Lingen unter Beteiligung der russischen Atombehörde Rosatom sehen sich die Anti-Atom-Organisationen in ihren Bedenken bestätigt. In vielen zentralen Fragen wichen die Konzernvertreter den Fragen der Einwender*innen aus. Zudem gaben sie erschreckende Sicherheitslücken im Umgang mit Rosatom zu:

1. Framatome ANF gab zu, dass sich im Frühjahr rund 20 Rosatom-Mitarbeiter*innen mehrere Wochen lang in Lingen aufhielten und dabei rund 20 Mitarbeiter*innen von Framatome schulten. Laut Framatome fand aber keinerlei Sicherheitsüberprüfung der Rosatom-Mitarbeiter statt.

2. Es stellte sich heraus, dass Framatome allein auf eine Kooperation mit dem Präsident Putin persönlich unterstellten Kreml-Konzern Rosatom setzt. Kooperationen mit anderen Brennelementeherstellern, die bereits in der Lage sind, Brennelemente russischen Typs herzustellen, wurden nicht in Betracht gezogen.

3. Es zeichnet sich nunmehr ebenfalls ab, dass die Lizenzkooperation mit Rosatom langfristig bestehen bleiben könnte. Die bisherige Aussage Framatomes, dass die Kooperation nur eine „kurzfristige“ Übergangslösung sei, wurde damit revidiert.

4. Auf beharrliche Fragen zum Verhältnis Framatomes zur Ukraine und zur militärischen Besetzung des ukrainischen AKW Saporischschja unter Beteiligung von Rosatom gingen die Framatome-Vertreter nicht ein.

5. Framatome musste zugeben, dass die angeblich eigenständige Fertigung von VVER-Brennelementen in Lizenz hauptsächlich in der bloßen Endmontage der von Russland gefertigten Vorprodukte besteht. Auch der größte Teil der Brennstäbe wird aller Voraussicht nach fertig verschweißt aus Russland geliefert. Dies eröffnet unzählige Möglichkeiten, Brennelemente zu manipulieren und zu sabotieren und damit Schäden in den belieferten AKW anzurichten.


Hierzu erklärt Alexander Vent vom Bündnis AgiEL – Atomkraftgegner*innen im Emsland: 
„Der Erörterungstermin hat in dramatischer Form verdeutlicht, mit welcher Naivität Framatome ANF dem Kreml-Konzern Rosatom den roten Teppich ausrollt. Die fehlenden Sicherheitsüberprüfungen der 20 in Lingen tätigen Rosatom-Mitarbeiter durch Framatome sind ein eklatantes Beispiel dafür, dass Framatome die aggressive Politik der russischen Regierung und die enge Verquickung Rosatoms mit den russischen Geheimdiensten nicht ernst nimmt. Das lässt bei uns in Lingen alle Alarmglocken schrillen.“

Dr. Angelika Claußen, Vorsitzende der IPPNW erklärt:
„Im Erörterungstermin wurde deutlich, dass Framatome ANF Fakten über die umfassende Verantwortung von Rosatom im zivilen und militärischen Bereich der Atomkraft, also auch für Atomwaffen, systematisch ausblendet. Doch Rosatom arbeitet und verantwortet als Atombehörde den gesamten zivilen und militärischen Bereich der russischen Atomtechnologie. Mit der wiederholten Antwort ‚Das ist nicht Gegenstand unseres Antrags‘ weigerte sich Framatome ANF, die ausgeprägten Gefahren der Zusammenarbeit mit Rosatom für die notwendige Sicherheitskultur im Atombereich zur Kenntnis zu nehmen. Für die IPPNW ist eine Firmenkooperation mit einem solchen Partner inakzeptabel. Die Bundesregierung, die letztlich die Entscheidung treffen wird, muss den Einfluss von Rosatom stoppen und den Atomausstieg konsequent weiterführen.“

Bettina Ackermann von der bundesweiten Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt ergänzt: 
„Framatome ANF konnte die in der Erörterung diskutierten Szenarien sicherheitsgefährdender Spionage und Sabotage nicht ausschließen. Darunter fällt sogar die Frage, ob Rosatom unbemerkt Sprengstoff in die in Lingen gefertigten Brennelemente einbringen kann. Rosatom hat zum Beispiel im ukrainischen AKW Saporischschja zur Genüge bewiesen, dass es zur Durchsetzung der Interessen des Kreml auch schwerste Atomunfälle in Kauf nimmt. Die deutschen Genehmigungsbehörden müssen jetzt ihrer Vorsorgepflicht nachkommen und den Antrag von Framatome ANF zum Ausbau der Atomfabrik ablehnen.“

Weiterer Ablauf des Genehmigungsverfahrens:
Im Verlaufe des Erörterungstermins gab der Vertreter des Bundesumweltministeriums zum weiteren Ablauf des Verfahrens bekannt, dass auf Bundesebene nunmehr diverse Bundesministerien sowie die Sicherheitsbehörden, darunter der Bundesnachrichtendienst und der Verfassungsschutz, eigene Stellungnahmen erarbeiten. All diese Stellungnahmen würden dann dem Umweltministerium in Hannover übermittelt, um in das laufende Genehmigungsverfahren einzufließen. Sobald das niedersächsische Umweltministerium den Entwurf eines Bescheids erarbeitet habe, werde man sich diesen zu einer bundesaufsichtlichen Prüfung übermitteln lassen. Die Anti-Atom-Organisationen kündigten dazu an, dass sie nach einer gründlichen Auswertung des Erörterungstermins und nach Vorliegen des Wortprotokolls auch selbst nochmal eigene Stellungnahmen zu den neu bekannten Fakten erarbeiten und in Hannover einreichen werden. Die Anti-Atom-Organisationen werden ihre Proteste gegen den Weiterbetrieb der Brennelementefabrik Lingen fortsetzen.

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