14.10.2011 Vor 65 Jahren begann der Nürnberger Ärzteprozess. Die Auseinandersetzung mit der Medizin im Nationalsozialismus und ihren Auswirkungen prägte von Anfang an das Selbstverständnis der Kongressreihe "Medizin und Gewissen". Heute und morgen findet in Erlangen der IV. Internationale IPPNW-Kongress mit 30 ReferentInnen und 300 TeilnehmerInnen statt. Der bekannte Historiker und internationale Experte für medizinische Verbrechen im Nationalsozialismus Prof. Dr. Paul Weindling von der Oxford Brookes University spricht über die Opfer nationalsozialistischer Menschenversuche und erzwungene Forschung.
Er beklagt, dass es bis heute keine Geschichte von Menschenversuche im Nationalsozialismus gibt, die wenigstens Auskunft über die Zahlen der Opfer sowie die Identität der Opfer gebe. "In anderen Bereichen der Erinnerungskultur würdigt man nicht nur militärische Opfer wie bei Kriegsdenkmälern seit den 1890er Jahren, sondern auch Holocaust-Opfer. Psychiatrische Opfer der Euthanasie werden dagegen meist nur kollektiv gewürdigt", so Prof. Weindling.
Ein weiterer Themenschwerpunkt des diesjährigen Kongresses gilt der besonderen Rolle der Menschen in Gesundheitsberufen als FriedensstifterInnen. Einer der Referenten ist der palästinensische Arzt Dr. Izzeldin Abuelaish, Autor des Buches "Ich werde niemals hassen. Ein Mediziner aus Gaza auf den Wegen des Friedens". Obwohl seine drei Töchter 2009 bei einem israelischen Militäreinsatz in Gaza ums Leben kamen, setzt er sich für die Völkerverständigung zwischen Israelis und Palästinensern ein. Es ist sein Verständnis ärztlicher Ethik. Abuelaish hatte als Forscher am Gertner Institut am Sheba Krankenhaus in Tel Aviv gearbeitet. Er war der erste palästinensische Arzt, der je eine Stelle in einem israelischen Krankenhaus inne hatte. Ihm wird nachgesagt, er hätte mehr jüdische Babys auf die Welt gebracht als seine israelischen Kollegen.
Während der zwei Jahre nach dem Beschuss seines Hauses reiste er durch die Welt mit der Botschaft, er weigere sich zu hassen. Er sagte seinen Zuhörern, dass er nicht an Rache glaube. "Hass ist eine Krankheit und der Feind des Friedens", so Abuelaish. Seine Haltung hat ihm in aller Welt Preise für humanitäres Verhalten eingebracht. Abuelaish gründete die Wohltätigkeitsorganisation "Töchter fürs Leben", mit der er die Bildung von Mädchen unterstützen will.
Für Frauen in Kriegsgebieten setzt sich auch die Ärztin Dr. Monika Hauser ein, ebenfalls Referentin auf dem Kongress. "Ärzte, in diesem Fall besonders Ärztinnen, unterstützen in Kriegs- und Krisengebieten weltweit mit Mut und solidarischem Engagement Frauen und Mädchen, die sexualisierte Gewalt überlebt haben. Sie stellen sich diesen durch Männer-gewalt verursachten seelischen und körperlichen Verletzungen und geben den Überle-benden neue Lebensperspektiven. Keine Gesellschaft kann sich einen Friedensschluss leisten, an dem ihre weibliche Bevölkerung nicht nachhaltig beteiligt ist", sagt sie.
Der dritte Themenstrang beschäftigt sich mit der Einflussnahme der pharmazeutischen Industrie im deutschen Gesundheitswesen. Einer der Referenten ist der streitbare Sozialmediziner Prof. Dr. David Klemperer von der Hochschule Regensburg. Er kritisiert im Zusammenhang mit der Manipulation von Medikamentenstudien, dass in der Pharmaindustrie der Grundsatz gelte "Umsatz vor Sicherheit" und fordert: "Nicht schaden muss auch für die pharmazeutische Industrie oberstes Gebot werden."
Weitere Informationen über den Kongress und die Referenten finden Sie unter www.medizinundgewissen.de
Pressekontakt:
Stephan Kolb, Kongressorganisation, Mobil 0172 – 8428233
Angelika Wilmen, Pressesprecherin, IPPNW, Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung, Körtestr. 10, 10967 Berlin Körtestr. 10, 10967 Berlin, Mobil: 0162 – 205 79 43, Email: wilmen@ippnw.de, www.ippnw.de
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