18.10.2016 Die Ärzteorganisation IPPNW begrüßt die kürzlich veröffentlichte Stellungnahme der Zentralen Ethikkommission der Bundesärztekammer „Medizinische Altersschätzung bei unbegleiteten jungen Flüchtlingen“. Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass Röntgen- und Genitaluntersuchungen zur Alterseinschätzung bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen beim derzeitigen Stand der Wissenschaft die Frage der Volljährigkeit nicht klären können und darüber hinaus ethisch nicht zu rechtfertigen sind. Sie folgt damit weitgehend der Argumentation der IPPNW und der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin DAKJ.
Die Ethikkommission schlägt vor, bei Zweifeln an der Altersangabe die Altersschätzung „sozialpädagogisch“ vorzunehmen. Die Kommission verweist auf die „Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft für forensische Altersdiagnostik außerhalb von Strafverfahren“ der Rechtsmediziner und zieht daraus folgendes Résumé: „Danach sind Röntgenuntersuchungen ausgeschlossen, darüber hinaus sind Genitaluntersuchungen zum Zweck der Altersschätzung abzulehnen.“ Die Stellungnahme der Zentralen Ethikkommission schließt mit dem Satz: „Bei nicht auszuräumenden Zweifeln am Lebensalter sollte zugunsten des Betroffenen entschieden werden.
Den Stein ins Rollen gebracht hatte ein Ärzteblatt-Artikel der IPPNW-Kinderärzte Thomas Nowotny und Winfrid Eisenberg zusammen mit dem Magdeburger Kinderendokrinologen Prof. Klaus Mohnike im Mai 2014. Als Reaktion auf den Artikel entspann sich eine heftige Diskussion über altersdiagnostische Untersuchungsmethoden zwischen den Autoren einerseits und Rechtsmedizinern andererseits. Letztere wenden regelmäßig Röntgen- und Genital-Untersuchungen an, was die Kinderärzte scharf kritisieren. Denn erstens tragen diese Untersuchungen zur Frage „unter oder über 18“ nichts Entscheidendes bei und zweitens sind sie gesundheitsschädlich. Es sei ethisch sehr problematisch, junge Flüchtlinge ohne ärztliche Indikation Röntgenstrahlen und einer Untersuchung des Intimbereichs auszusetzen.
Dieser Diskussion folgte im Juni 2015 der internationale Fachkongress „Best Practice for Young Refugees“, den die IPPNW gemeinsam mit der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin, der Charité-Kinderklinik und der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg ausrichtete. Als Fazit veröffentlichte die IPPNW die „Berliner Erklärung“ www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Soziale_Verantwortung/Berliner_Erklaerung.pdf
Die Stellungnahme der Ethikkommission der Bundesärztekammer können Sie nachlesen unter www.aerzteblatt.de/download/files/2016/09/down136409527.pdf
Hier finden Sie den Artikel „Strittiges Alter – strittige Altersdiagnostik, DÄ, Heft 18/2014
Kontakte für Rückfragen:
Angelika Wilmen, Pressesprecherin, IPPNW: 030-69807415
Winfrid Eisenberg, IPPNW-AK Flucht & Asyl: 05221-529927
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