IPPNW-Pressemitteilung vom 24. Juli 2024

Bundesregierung muss sich für ein Ende der Besatzung einsetzen

Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofes zu palästinensischen Gebieten

Die ärztliche Friedensnobelpreisträgerorganisation IPPNW appelliert an die Bundesregierung als Konsequenz aus dem kürzlich veröffentlichten Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofes (IGH), alle strafrechtlichen, diplomatischen und wirtschaftlichen Mittel einzusetzen, um ein Ende der Besatzung der palästinensischen Gebiete zu erreichen. Die Bundesregierung dürfe keine Waffen mehr an die israelische Regierung exportieren, solle Palästina anerkennen und sich innerhalb der EU für eine Suspendierung des EU-Israel-Assoziierungsabkommens einsetzen, das in Artikel 2 alle Vertragspartner zur Wahrung der Menschenrechte verpflichtet.

Laut dem IGH verstößt Israels Siedlungspolitik in den besetzten palästinensischen Gebieten gegen das Völkerrecht. Die israelische Regierung mache sich aufgrund der dauerhaften Besatzung, der Ausbeutung palästinensischer Ressourcen, der Anwendung unterschiedlicher Rechtssysteme für israelische Siedler*innen einerseits und Palästinenser*innen im Westjordanland andererseits faktisch der Annektierung schuldig. Auch israelische Sicherheitsinteressen könnten die Aneignungen von Land nicht rechtfertigen. Die israelische Regierung müsse für die Besetzung des Westjordanlandes und Ostjerusalems Wiedergutmachung leisten.

Völkerrechtlich gesehen ist die israelische Regierung als Besatzungsmacht zudem in der Pflicht, die Bevölkerung in den besetzten Gebieten zu schützen. Seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 haben Angriffe von Siedler*innen auf Palästinenser*innen im Westjordanland stark zugenommen: Gezählt werden 554 Tote und 5.500 Verletzte. Nach Angaben der israelischen Nichtregierungsorganisation HaMoked, die sich für die Rechte von Palästinenser*innen stark macht, sitzen zudem über 3.300 Menschen in Administrativhaft in israelischen Gefängnissen. Am Montag berichtete Steffen Seibert, deutscher Botschafter in Israel, dass radikale Siedler im Westjordanland internationale und israelische Menschenrechtsaktivist*innen angegriffen hätten, die palästinensische Bauern zu ihren Olivenhainen begleiteten, um ihnen durch ihre Präsenz Schutz zu geben.

Viel gravierender noch sind die humanitären Folgen des Krieges zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen. Die Zahl direkter und indirekter Todesfälle im Gazastreifen beträgt laut einer kürzlich veröffentlichten Berechnung in der medizinischen Fachzeitschrift "The Lancet" geschätzt 186.000 Menschen. Das entspricht laut den Autor*innen 7-9 Prozent der Bevölkerung. Zu den indirekten Todesursachen gehören u.a. Krankheiten, die aufgrund der zerstörten Infrastruktur des Gesundheitswesens nicht oder nur unzureichend behandelt werden können, sowie die schwerwiegende Knappheit an Nahrung, Wasser und Unterkünften. Laut WHO sind im Gazastreifen derzeit nur noch 16 Krankenhäuser mit 1.532 Betten für Patient*innen teilweise in Betrieb. Die Weltgesundheitsorganisation warnt seit gestern vor einer sehr großen Polio-Gefahr im Gazastreifen.

„Die Bundesregierung muss jetzt handeln und sich engagiert für einen baldmöglichsten Waffenstillstand im Gazastreifen sowie ein Ende der militärischen Gewalt im Westjordanland einsetzen. Sie darf die massive Gewalt von Siedler*innen und Militär im Windschatten des Gazakrieges nicht länger dulden und sich damit mitschuldig machen an gravierenden Völkerrechtsverstößen“, betont die IPPNW-Vorsitzende Dr. Angelika Claußen.

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, erklärte im März dieses Jahres, die Gewalt der Siedler*innen und die Verstöße im Zusammenhang mit der Besiedlung hätten ein schockierendes Ausmaß erreicht und würden die Gefahr bergen, dass jede praktische Möglichkeit zur Errichtung eines lebensfähigen palästinensischen Staates zunichtegemacht wird.



Weitere Informationen:
IGH-Gutachten: https://www.icj-cij.org/sites/default/files/case-related/186/186-20240719-adv-01-00-en.pdf

Kontakt:

Angelika Wilmen, IPPNW-Friedensreferentin, wilmen[at]ippnw.de, 030  698074 13

zurück

Ansprechpartnerin

Angelika Wilmen

Angelika Wilmen
Referentin für Friedenspolitik
Tel. 030 / 698074 - 13
Email: wilmen[at]ippnw.de

Materialien

Flyer "Gaza: Nein zum Angriff auf das humanitäre Völkerrecht!"

Bestellen | Herunterladen

Aktion

Petitionen und Aufrufe, die die IPPNW Deutschland unterstützt

GAZA: Starvation or Gunfire -  This is Not a Humanitarian Response
Aufruf CeasefireNow

Für einen gerechten Frieden in Gaza. Waffenexporte stoppen & Hilfsblockade beenden!
gerechter-frieden.org/petition

UNRWA funding cuts threaten Palestinian lives in Gaza and region, say NGOs
Aufruf auf der Homepage des Norwegian Refugee Councils

Waffenlieferungen an Israel und bewaffnete palästinensische Gruppen stoppen!
Aufruf von humanitären und Menschenrechtsorganisationen
Aufruf (deutsch) auf der Homepage von amnesty international
Aufruf auf Englisch

Petition "Ceasefire Now!"
Für einen sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen und in Israel
Petition auf Change.org unterzeichnen

Health Care and Public Health Professionals’ Call to Immediate Action to Address the Violence in Israel and Gaza and Its Health Consequences
Aufruf von Gesundheitsberufler*innen unterstützen

Friedensappell: Für ein Ende der Gewalt in Israel und Palästina
Petition des Netzwerk Friedenskooperative

Reden & Berichte

Nein zum Angriff auf das humanitäre Völkerrecht
5.06.2025 Rede Franca Brüggen und Angelika Wilmen (PDF)

Für einen gerechten Frieden in Palästina und Israel
11.01.2025 Rede Dr. Nadia Bieler (PDF)

„Das Unmögliche denken und schaffen“ – Gerechter Frieden Palästina und Israel
16.11.2024 Rede Dr. med. Lars Pohlmeier (PDF)

Terroristische Angriffe lassen sich nicht durch Krieg und Bombenteppiche bekämpfen!
28.10.2023  Rede Dr. Angelika Claußen (PDF)

Vernunft, kluge Diplomatie und Abschied von der Gewalt
12.11.2023 Rede Matthias Jochheim (PDF)

Beide Seiten sehen und zuhören: Mit f&e in Israel und der Westbank
Bericht famulieren & engagieren 2023 (IPPNW-Blog)

There’s no such thing as the voiceless: Bericht aus dem besetzten Westjordanland
Bericht famulieren & engagieren 2023 (IPPNW-Blog)

Statements von Organisationen in Israel/Palästina

Seit Jahren arbeitet die IPPNW im Rahmen der Begegnungsreisen nach Israel/Palästina mit Menschenrechtsorganisationen vor Ort zusammen. Im Folgenden veröffentlichen wir einige Statements von Organisationen aus Israel und Palästina, mit denen wir im regelmäßigen Austausch stehen.

Inmitten des Schreckens liegt eine Chance für den Frieden
Erklärung des Palestine-Israel Journal
englisch/deutsch

Der Brief, der uns empört
Dutzende israelische Ärzt*innen unterzeichneten einen Brief, der das Militär auffordert, "Hornissennester und die sie schützenden Krankenhäuser" im Gazastreifen zu zerstören. Eine Antwort von Physicians for Human Rights Israel
englisch/deutsch auf der Seite von medico

Palestinian CSO Send a Letter to the UN High Commissioner Calling for Ceasefire, and Stress on the Root Causes
Brief des Palestinian Centre for Human Rights, Al Mezan Center for Human Rights und Al-Haq an den UN-Hochkommissar für Menschenrechte Völker Türk
englisch

Materialien

IPPNW-Information: "Von der Nakba zum ABC der Besatzung" – Israel-Palästina-Reise der IPPNW 2022. PDF

Navigation