Im vergangenen Sommer habe ich die großartige Chance erhalten, zwei Monate im Rahmen des f&e-Programms in Kenia zu verbringen. Nun, annähernd genauso lange zurück in der Heimat, sitze ich hier inmitten meines Alltags und blicke zurück auf eine unglaubliche Zeit.
Nach einem sehr spannenden und bereichernden Auswahltag in Berlin, hatte ich mich dazu entschieden, Kenia als meinen Erstwunsch anzugeben. Ich fuhr mit einem unsicheren Gefühl nach Hause und war nicht sicher, ob es klappen würde. Doch bereits für diesen Tag hatte sich die Fahrt in die Hauptstadt gelohnt. Der Austausch mit unseren VorgängerInnen und die Begegnung mit einer bunten Gruppe Medizinstudierender aus ganz Deutschland stärkten meine Begeisterung für diese Projektidee.
Umso größer war natürlich meine Freude, als ich bald darauf die E-Mail mit der Zusage erhielt. Einige Wochen später folgte das Vorbereitungswochenende, das mir viele neue Blickwinkel auf meinen anstehenden Austausch eröffnet hat. Zuvor hatte ich bereits Maria kennengelernt, meine Reisegefährtin aus Dresden. Wir entschieden uns, wie auch schon unsere Vorgängerinnen, sowohl den Famulatur- als auch Projektteil gemeinsam zu verbringen.
Einer der Gründe, die mich an Kenia als Projektland überzeugten, war der direkte Austausch mit zwei kenianischen Studierenden. Sie absolvierten ebenfalls eine Famulatur in Deutschland und nahmen an der IPPNW-Summer School teil. Durch einen glücklichen Zufall, hatten Maria und ich die Gelegenheit, unsere Austauschpartner Lisa und Ian bereits vor unserer Reise in W
itten zu treffen und einen gemeinsamen Abend zu verbringen.
Und dann ging es auch schon los. Zehn Stunden Zeit, um im Flugzeug über die eigenen Erwartungen nachzudenken und die innere Aufgeregtheit gegen das Schlafbedürfnis ankämpfen zu lassen.
Bei unserer Ankunft am frühen Morgen wurden wir von einem kleinen Empfangskomitee aus drei Medizinstudierenden am Flughafen abgeholt. Mit dem Auto ging es dann zur Wohnung von Barasa, bei dem wir während unseres Aufenthaltes in Nairobi wohnten.
Zunächst waren das lediglich drei Tage, in denen wir bereits einen Teil der MSSR-Gruppe (Medical students in social responsibility) der Kenyatta University kennenlernten. Wir verbrachten gemeinsame Kochabende und wurden auch beim Kauf von SIM-Karten und den Herausforderungen der öffentlichen Transportmittel in den Anfangstagen bestens betreut. Gemeinsam mit zwei Studierenden ging es schließlich per Nachtbus in den Küstenort Kilifi, wo wir unsere einmonatige Famulatur absolvieren wollten.
Auch in Kilifi wurden wir herzlich empfangen und sehr spontan als neue WG-Mitbewohnerinnen bei zwei Medical Interns (quasi PJler) aufgenommen. Mit einem 2-minütigen Fußweg zum Krankenhaus und einer tollen Wohngemeinschaft waren die Rahmenbedingungen für unseren Aufenthalt mehr als optimal.
Den Großteil unserer Zeit verbrachten wir im Krankenhaus und konnten auf verschiedenen Stationen einen intensiven Einblick in die Patientenversorgung und das Gesundheitssystem gewinnen.
Das Kilifi-County-Hospital ist das größte öffentliche Krankenhaus zwischen Mombasa und Malindi und hat ein entsprechend großes Einzugsgebiet. An vielen Stellen wurde deutlich, dass fehlende personelle und materielle Ressourcen die Patientenversorgung sehr erschweren.
Ich entschied mich dazu, zunächst zwei Wochen in der Geburtshilfe und die zweite Hälfte der Famulatur auf der Kinderstation zu absolvieren. In der Pädiatrie spielte das KEMRI│Wellcome Trust-Forschungsinstitut eine wichtige Rolle, eine Forschungspartnerschaft die 1989 zwischen dem Kenya Medical Research Institute und dem britischen Wellcome Trust sowie der University of Oxford gegründet wurde. So war aufgrund einer umfassenderen Finanzierung hinsichtlich des medizinischen Personals und der generellen Ausstattung ein deutlicher Unterschied im Vergleich der beiden Stationen bemerkbar.
In den ersten Tagen hat mich vor allem die Sprachbarriere besonders gefordert. Die Gespräche innerhalb des ärztlichen Personals fanden zwar überwiegend auf Englisch statt, dennoch mischten sich immer wieder einzelne Vokabeln, ganze Sätze oder auch Gespräche in Swahili darunter. Eine Sprache, die ich trotz aller guten Vorsätze leider nicht annähernd so gut verstand, wie ich es mir zu Beginn meiner Vorbereitungszeit einmal vorgenommen hatte. Die Kommunikation mit den PatientInnen fand in der Regel nicht auf Englisch statt, sodass eine selbstständige Anamnese nur in 2-3 Fällen möglich war.
Auf beiden Stationen wurde ich sehr nett aufgenommen und mir wurden bereitwillig Fragen beantwortet und Untersuchungsschritte gezeigt. Die Lernatmosphäre und der Umgang miteinander haben mir sehr gut gefallen. Zu keinem Zeitpunkt wurde von mir erwartet, Dinge zu erledigen, die ich mir selbst nicht zutraute. Insgesamt habe ich in meinem Famulaturmonat viele Geburten erleben dürfen, PatientInnen untersucht, bei Behandlungsschritten geholfen, Fragen gestellt und einen guten Einblick in den ärztlichen Alltag gewonnen. Die Selbstständigkeit, die hohe Verantwortungsübernahme, das medizinische Fachwissen und der Umgang mit einem gewaltigen Arbeitspensum haben mich, insbesondere bei allen Medical Interns die ich kennenglernt habe, sehr beeindruckt.
Alles in allem verbrachten wir in Kilifi einen unglaublich spannenden Monat. Wir haben viel gelacht, neue Freunde gefunden, getanzt, spannende Gespräche geführt, Sonnenuntergänge am Strand erlebt und gemeinsam Musik gemacht.
Dann hieß es schweren Herzens Abschied nehmen und wir machten uns, mit einem Zwischenstopp in Mombasa, auf den Rückweg nach Nairobi.
Dort war durch die MSSR-Gruppe ein Studierendenprojekt zum Thema “ Mental Health“ geplant worden. In den folgenden Tagen tauschten wir uns über die Gesundheitsversorgung im psychiatrischen Sektor aus, diskutierten aktuelle Probleme, führten Gespräche mit einem Mitglied des Gesundheitsministeriums, ÄrztInnen und Pflegekräften und besuchten verschiedene Einrichtungen. Unter anderem lernten wir das Mathare Mental Hospital kennen, das einzige staatliche psychiatrische Krankenhaus im gesamten Land. An einem anderen Tag konnten wir einen Einblick in eine private Rehabilitationsklinik gewinnen. 
Leider waren alle Mitglieder der MSSR-Gruppe während unseres Aufenthalts durch Universitätsveranstaltungen und Praktika sehr eingespannt. So konnten stets nur wenige kenianische StudentInnen am Programm teilnehmen und unsere Veranstaltungen waren häufig nicht tagesfüllend.
Insgesamt war unser Projektteil aber sehr abwechslungsreich und wir konnten einen spannenden Eindruck der Versorgungslage im Mental-Health-Sektor gewinnen. Ich halte den Austausch mit der MSSR-Gruppe und die gezielte Auseinandersetzung mit aktuellen gesundheitspolitischen Themen für eine sehr wertvolle Erfahrung, für die ich sehr dankbar bin.
Das f&e-Austauschprogramm ist für mich ein absolut gelungenes Konzept und ich kann es jeder und jedem nur ans Herz legen, sich auf eine solche Erfahrung einzulassen.
Durch das Vor- und Nachbereitungswochenende sowie den intensiven Austausch mit anderen TeilnehmerInnen entstehen nachhaltige Begegnungen mit den Projektländern, den jeweiligen Gesundheitssystemen und den Menschen vor Ort. Nicht nur meine Zeit in Kenia, sondern auch die Erfahrungen der anderen Studierenden, haben meinen Horizont deutlich erweitert und werden mich noch lange beschäftigen. Vielen Dank für diese besondere Erfahrung!
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