Kosovo

von Wiebke Jech

Der Anfang

Im Grunde hat die ganze Erfahrung f&e für mich mit dem Motivationsschreiben begonnen. Ich schaute mir die Berichte und Länder der letzten Jahre an und wurde direkt von den verschiedenen Balkanländern angesprochen. Sie sind so nahe und doch wusste ich nicht sehr viel über sie.


Als ich dann die Zusage für den Kosovo bekam, musste ich doch noch überlegen, ob ich das wirklich machen sollte. Denn gerade Sarajevo und Belgrad hatten mir in meiner Recherche besser gefallen. Doch von unseren Vorgängern wusste ich, dass man auch Zeit und Möglichkeiten hat verschiedene Länder auf dem Balkan zu bereisen und neugierig war ich auf den jüngsten Staat Europas sowieso. Nun war also klar, dass ich den Sommer 2016 im Kosovo verbringen werde.

Zufälligerweise wollte Katja (auch IPPNW) ebenfalls im August nach Prishtina und somit startet wir zusammen in Berlin und fuhren mit dem Auto über Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Serbien in den Kosovo.
Meine Unterkunft lag in Ulpiana, einem Stadtteil von Prishtina. Die Lage war perfekt, in 15 Minuten war ich zu Fuß in der Stadt oder in 10 Minuten am Krankenhaus. Das Wohnheim wurde betrieben von katholischen Nonnen, diese waren ziemlich streng, doch für 8 Wochen war es kein Problem und ich hatte mein eigenes Zimmer und Bad.

Famulatur

Die Famulatur startete für mich in der Anästhesie und Viszeralchirurgie. Manchmal durfte ich intubieren, Flexülen legen oder alle meine Fragen zur Narkose loswerden. An anderen Tagen habe ich mich eingewaschen und bin mit den Chirurgen an den Tisch gegangen. Ein junger Assistenzarzt der Anästhesie sprach deutsch und so konnten wir beide etwas Lernen. Ich hab ihm die medizinische Fachsprache näher gebracht und er mir die Anästhesie. Auch einige der Chirurgen sprachen deutsch oder englisch. Besonders herzliche aufgenommen wurde ich von den OP-Schwestern. Da habe ich dann gemerkt wie weit man auch ganz ohne eine gemeinsame Sprache kommen kann. Jeden Tag haben sie darauf geachtet, dass ich zu meiner Kaffee-Pause komme und oft hatten sie noch verschiedene lokale Speisen mit dabei, sodass ich mich durch große Teile der kosovarischen Küche probieren konnte.


Eine Woche verbrachte ich noch in der „Infectious diseases clinic“ hier rotierte ich jeden Tag auf eine andere Station und konnte somit eine Menge verschiedene Krankheitsbilder sehen. Von Meningitis bis Lebensmittelvergiftung war alles dabei. Mittags hatte ich manchmal noch eine kleine Vorlesung beim Chefarzt, in der er mir besondere Fälle vorstellte.
Stressig war es für mich eigentlich nie im Krankenhaus. Oft war ich mit ein paar Ärzten zwischendurch Kaffee trinken und spätestens gegen 13 Uhr hatte ich Feierabend. Alles in allem fand ich die Zeit im Krankenhaus lehrreich, ein bisschen konnte ich meine praktischen und medizinischen Kenntnisse verbessern, aber am meisten lernen konnte ich über die Menschen im Kosovo. Über viele Gespräche mit Ärzten und das Erleben von Patienten und Angehörigen.

Das Sozialprojekt
 
Zwei Wochen habe ich bei Handikos gearbeitet. Dies ist eine NGO, die sich für Menschen mit Behinderungen im Kosovo einsetzt. Sie wurde bereits 1983 gegründet und hat mittlerweile Zentren über den ganzen Kosovo verteilt. Sie organisieren Kampagnen, um die Rechte und Akzeptanz von Menschen mit Behinderungen zu verbessern. Die Zentren bieten Physiotherapie, Psychotherapie und Selbsthilfegruppen für Kinder (deren Eltern) und Erwachsene. Teilweise betreuen sie auch in der Häuslichkeit. Im Kosovo gibt es keine Krankenversicherung und ein Rollstuhl ist für Viele nicht bezahlbar, somit kümmert sich Handikos auch darum diese bereit zu stellen. Ich konnte bei der Physiotherapeutin hospitieren, habe Rollstühle montiert und einen Einblick in die administrative Arbeit einer NGO gewonnen.
Eine Woche habe ich dann noch mit Kindern mit Autismus gearbeitet. Ich konnte bei den Therapien hospitieren und durch meine Sprachkenntnisse auch viel verstehen und mich mit den Kindern austauschen.

Freizeit

Neben der Arbeit im Krankenhaus und den Sozialprojekten blieb immer genug Zeit für die Freizeit. Mir war es wichtig albanisch zu lernen und so suchte ich mir eine Lehrerin und hatte 2-3 die Woche Unterricht. Wir waren nur zwei Schüler und dadurch hat man sehr schnell Fortschritte gemacht. Schon nach wenigen Stunden konnte ich meinen Macchiato auf Albanisch bestellen. Sowieso habe ich viele Stunde damit verbracht durch die Parks und die Stadt zu streifen und immer wieder Kaffeepausen einzulegen. An allen Ecken gibt es nette Cafes, Bars und Restaurants. Und die Preise sind super günstig, sodass ich auch häufig Essen war. Zusammen mit Katja und einigen Medizinstudenten aus dem Kosovo haben wir auch einen Medical Peacework Workshop organisiert. Spannend war, dass man viele verschiedene Menschen kennengelernt hat. Medizinstudenten, Assistenzärzte, Mädchen aus meinem Wohnheim, Psychologen und Experten aus Deutschland. Man bekommt also einen großen Überblick über das Land, die Leute und die Gesellschaft.
Doch daneben hatte ich auch viel Zeit für mich selbst. Konnte mich nachmittags mit einem Buch in die Sonne legen, schon mal ein paar Themen für die Innere-Klausur (die im Oktober auf mich wartete) lernen, ins Fitnessstudio gehen oder einfach mal entspannen.


An den Wochenenden habe ich größere Reisen unternommen. Mit Flaka und Ylljeta war ich bei einem Filmfestival in Peja. Ich habe Magdalena in Mazedonien besucht, war mit Katja und Magdalena in Albanien am Mittelmeer. Ein großes f&e – Treffen gab es in Sarajevo. Magdalena (Mazedonien), Verena (Bosnien und Herzegowina), Lea (Serbien) und ich verbrachten dort ein tolles Wochenende. Mein Freund hat mich auch noch für ein Wochenende besucht und wir haben noch ein bisschen Prizren erkundet.
Schnell gingen die 2 Monate vorbei. Es war ein ereignisreicher Sommer und ich konnte definitiv meinen Horizont erweitern und mit vielen Eindrücken in das neue Semester starten.

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Anprechpartnerin

 

Anne Jurema
Referentin "Soziale Verantwortung"
Tel. 030/698074 - 17
Email: jurema[at]ippnw.de

Handzettel

Zitate

„Ich empfinde es als großes Glück, dass ich als Medizinstudent aus Nepal die Chance hatte, eine völlig andere Welt kennen zu lernen. Ich habe durch meinen Aufenthalt in Deutschland eine ganz neue Vorstellung von der Welt und von Menschen bekommen. Und ich bin glücklich, dass es sogar schon in meine Aktivitäten einfließt. Ich hoffe, dass alles, was ich gelernt habe, meinen Horizont öffnen wird und mir hilft, als Arzt in größeren Perspektiven zu denken“. (Medizinstudent Mohan Bhusal aus Nepal, 2012)

„Aber auch andere Ärzte beeindruckten mich sehr, wenn sie z.B. weit nach Feierabend, also außerhalb der ohnehin gering bezahlten Arbeitszeit, versuchten eine Lösung für die Kostenübernahme lebensnotwendiger Eingriffe, die sich die Patienten ohne Unterstützung nicht leisten könnten, zu finden. Es ist kaum möglich, die nötige Ankennung für so viel Berufsethos und großartige Leistungen mit ein paar Worten auszusprechen. Ich wünsche mir nur, dass mehr Menschen das Glück haben, solch wunderbare Ärzte kennenzulernen... (Medizinstudentin Christin Lorenz in Bosnien und Herzegowina, 2014).

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