Kenia

von Christian Gutsfeld

01.12.2010 Ich hatte die große Freude dank der IPPNW Deutschland meine Sommersemesterferien 2010 in Nairobi / Kenia zu verbringen. Im Rahmen meines Aufenthalts habe ich eine sechswöchige Famulatur in verschiedenen Krankenhäusern abgeleistet, sowie vier Wochen im „Urban Refugee Project“ des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) mitgearbeitet. An den Wochenenden habe ich mir oft einzelne Projekte und Workshops einer kenianischen NGO („Maji Mazuri“) in Nairobi angeschaut, die mitunter im Mathare Slum Jugendarbeit leistet.

Da sich mein Lebensmittelpunkt in dieser Zeit auf Nairobi beschränkte, habe ich, neben einem dreitägigen Urlaub in der schönen Küstenstadt Mombasa, nicht viel von Kenia gesehen. Die Erfahrungen und Begegnungen in meinem Alltag waren derart bereichernd, dass ich kein Bedürfnis empfand eine Safari oder einen der vielen Parks zu besuchen, sondern vielmehr Lust hatte einen tieferen Einblick in die Gesellschaft zu erhalten.

Mein Aufenthalt in Kenia sollte nicht mein erster Besuch eines subsaharischen Landes sein und auch die Region Ostafrikas war mir nicht unbekannt. Dennoch war ich im Hinblick auf meinen Aufenthalt in Nairobi ziemlich aufgeregt, da Nairobi den Ruf genießt die drittgefährlichste Stadt Afrikas zu sein, in der man sich besser nicht frei bewegen sollte. Freunde gaben mir gute Tipps, Bekannte warnten mich und mein Hausarzt meinte ich sei lebensmüde in den Slums Nairobis arbeiten zu wollen. Soviel Echo hatte ich sonst auf meine Reiseankündigungen nach Uganda, Israel / Palästina, Indien, Ägypten oder das Maghreb nie erhalten. Dementsprechend unsicher war ich, was mich wohl in einer der größten Metropolen Afrikas erwarten sollte. Als ich dann mitten in der Nacht am Flughafen ankam, war ich demzufolge dankbar von einer kenianischen Freundin abgeholt zu werden und mir keine Sorgen um eine Bleibe für die nächsten Tage machen zu müssen. Sie zeigte mir die Stadt und gab mir gute Tipps, wie ich eine Wohnung finden könnte.

Wohnungssuche
Zwar hatte ich versucht von Lübeck aus alles für die Famulatur und meinen weiteren Aufenthalt vorzubereiten, allerdings lässt sich das meiste erst vor Ort regeln. Daher war ich in der ersten Zeit gut beschäftigt eine sichere Bleibe zu finden, die Famulatur am Kenyatta Hospital zu organisieren und mich in der Stadt zu orientieren. So lernte ich in der ersten Woche, dass günstiger Wohnraum in Nairobi Mangelware ist, wenn man nicht im Slum wohnen möchte bzw. kann, das Kenyatta Hospital mir plötzlich mitteilte 500 Dollar für meine Famulatur zahlen zu müssen und man nach neun Uhr nicht mehr Matatu (Sammeltaxi) fährt, da diese häufig gekidnappend werden.

Bei meiner Suche nach einer Unterkunft in einem Stadtteil namens NGmuno, der direkt neben Kibera Slum liegt, stieß ich zufällig auf Sarah, eine US-amerikanischen Soziologin, die für Ihren PhD Studien in einer Massai Kommune durchführte. Sie lebte im Haus einer kenianischen NGO („Maji Mazuri“) an der Grenze zwischen NGumo und Kibera und bot mir an in Ihr Zimmer einzuziehen, sobald Sie abreisen würde. Meine Miete würde dann in Form einer Spende an die Organisation gehen. Überaus dankbar nahm ich Ihr Angebot an und lernte noch am gleichen Tag die Mitarbeiter von „Maji Mazuri“ kennen. Neben Sarah waren noch einige andere ehrenamtliche Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern bei „Maji Mazuri“ zu Gast, so dass ich eine bunte Truppe von engagierten Menschen mit unterschiedlichen akademischen Hintergründen traf. Dementsprechend interessant gestalteten sich unsere abendlichen Diskussionen, da jeder in unterschiedlichen Projekten mitarbeitete und andere Ansätze benutzte, das Erlebte zu erklären.

Famulatur
Das Kenyatta Hospital ist das größte Vollversorgungskrankenhaus Ost-/ und Zentralafrikas und weit über die Landesgrenzen Kenias bekannt. Ursprünglich hatte ich vor sechs Wochen am Kenyatta Hospital zu famulieren, entschloss mich jedoch nach drei Wochen an ein anderes Krankenhaus zu wechseln, da mir die Arbeit der Ärzte, Clinical Officers und des Pflegepersonals nicht selten als fahrlässig erschien. Selbstverständlich darf man nicht allzu viel erwarten bei einem Krankenhaus, das finanziell unterversorgt ist und das ständig unter limitierten Ressourcen arbeitet. Dennoch rechtfertigt dies nicht ein desinteressiertes Pflegepersonal oder Ärzte, die von bezahlten acht Stunden insgesamt drei Stunden auf Station verbringen, da sie pünktlich in ihrer privaten Praxis sein müssen. Als letztlich ein siebenjähriger Junge nach Stunden starb, weil kein Arzt in der Nähe war, hatte ich den Eindruck an dieser Stelle nichts mehr zu lernen.
So begab ich mich einem Tipp folgend an das MBagathi District Hospital, dass das Einzugskrankenhaus von Kibera Slum ist. Hier traf ich auf eine junge, sehr engagierte Ärztin, die versuchte gegen alle Widerstände das Beste für Ihre Patienten zu erreichen. Neben der alltäglichen Klinikarbeit (Braunülen legen, Blutabnehmen, Vitalwerte messen, Anamnese aufnehmen), führte ich einige höhere ärztliche Tätigkeiten durch (ZVK legen, Pleurapunktion) und hatte stets drei Patienten, die ich unter ihrer Führung behandelte. Hierbei muss erwähnt werden, dass die Ressourcen des MBagathi Hospitals weitaus beschränkter sind, als die des Kenyatta Hospitals, was mich in der Ansicht bestärkte, dass eine gute Behandlung nicht nur aus den diagnostischen / therapeutischen Mitteln sondern insbesondere aus der inneren Haltung des behandelnden Personals erwächst.

Sozialprojekt
Bereits während meiner Arbeit im Krankenhaus schaute ich mich für den Anschluss an meine Famulatur nach einem Sozialpraktikum um. Über „Maji Mazuri“ verbrachte ich viel Zeit an den Wochenenden mit Jugendlichen bei verschiedenen Workshops und Projekttreffen im Mathare Slum. Hier fühlte ich mich sofort voll integriert und freute mich immer wieder auf das kommende Wochenende und die neuen Treffen. Daher wollte ich mich den letzten Wochen eher einem anderen Gebiet widmen als der Jugendarbeit. So kontaktierte ich eine Freundin, die für das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen in Nairobi arbeitet.

Nach einem längerem Gespräch schlug sie mir vor das „Urban Refugee Projekt“ des UNHCR näher kennen zu lernen und in der Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen mitzuhelfen. Viele der somalischen, kongolesischen und äthiopischen Kriegsflüchtlinge leben in einem Stadtteil Nairobis namens Eastleigh und haben keinen Zugang zur städtischen Gesundheitsversorgung. Zudem haben die meisten Flüchtlinge neben ihren traumatischen Erfahrungen noch mit Diskriminierung aus der kenianischen Gesellschaft und Repressionen von Seiten der Polizei zu kämpfen. Im Gegensatz zum Krankenhaus war hier die Arbeit eher als Ambulanz organisiert und bestand aus dem Verschreiben von Medikamenten, der Wundversorgung von Schnitt-/ und Brandwunden, Geburtshilfe, Bereitstellung von Schwangerschafts-, HIV-/ und Tuberkulose-Tests und dem Überweisen an andere Krankenhäuser. Bei meiner ehrenamtlichen Mitarbeit in der Asylgruppe von Amnesty International Berlin habe ich viele erschütternde Biographien von Kriegs-/ und politischen Flüchtlingen mitbekommen. Dennoch war ich häufig tief ergriffen von den traumatischen Erfahrungen, von denen viele der Flüchtlinge berichteten und den Demütigungen die insbesondere Frauen meist erleiden mussten.

Wie bereits erwähnt, verbrachte ich meine Wochenenden in verschiedenen Projekten von „Maji Mazuri“ und lernte viele der Mitarbeiter und ehrenamtlichen Helfer kennen. Dadurch, dass ich in der Hauptzentrale von „Maji Mazuri“ lebte, bekam ich einen tiefen Einblick in die Abläufe der NGO und sah wie viel Einsatz und Verbundenheit in die Arbeit floss. Den Mitarbeitern habe ich es zu verdanken Seiten von Nairobi kennen gelernt zu haben, die den meisten Besuchern verschlossen bleiben. Ich hatte die großartige Gelegenheit meinen bisherigen Lebensweg mit vielen der Biographien junger Menschen aus Mathare Slum zu teilen, was bei mir nachdrücklich ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit und der Demut hinterlassen hat. Schon jetzt freue ich mich auf ein Wiedersehen mit vielen bekannten Gesichtern bei meinem nächsten Aufenthalt in Nairobi.

Eine Betreuung während meiner Zeit in Nairobi erhielt ich von einer IPPNW Ärztin (Helen), die als Austauschstudentin bereits in Deutschland war und auch schon zwei meiner Vorgänger betreut hatte. Wir trafen uns regelmäßig zum Essen oder Kaffee in der Stadt und tauschten unsere Gedanken über Gott und die Welt aus. Besonders zu Anfang war es gut zu wissen, eine Ansprechperson zu haben falls man Fragen hatte oder Hilfe brauchte. Leider gab es seit einigen Jahren keine aktive IPPNW Studentengruppe mehr in Nairobi, deren Arbeit ich hätte kennen lernen können, so dass mein Kontakt zur IPPNW Kenia auf Helen beschränkt blieb.

Abschließend möchte ich mich bei der IPPNW Deutschland und insbesondere bei Ulla Gorges für die ideelle sowie organisatorische Vorbereitung und finanzielle Unterstützung bedanken. Auch allen Freunden in Kenia, die diesen besonderen Aufenthalt erst ermöglichten, möchte ich meinen Dank aussprechen (asante sana) und hoffe auf ein baldiges Wiedersehen.

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