In meinen Semesterferien im Sommersemester 2016 habe ich 2 ½ Monate in Nepal verbracht. Obwohl ich probiert habe, so lange wie möglich in Nepal zu bleiben, hätte ich mir am Ende mehr Zeit gewünscht, um dieses einzigartige Land noch besser kennen zu lernen.
Kathmandu und mein Aufenthalt
Kathmandu ist eine lebendige, bunte und chaotische Stadt. Während meines Aufenthalts habe ich 2 Monate in Kathmandu gelebt. Wie viele vergleichbare Großstädte leidet auch Kathmandu an Überbevölkerung, Luftverschmutzung und Verkehrschaos. Da Kathmandu eine Kulturhauptstadt ist, gibt es an fast jeder Ecke entweder einen hinduistischen Tempel, eine buddhistische Stupa oder beides zusammen. Die Renovierungsarbeiten seit dem Erdbeben im Mai 2015 kommen leider nur sehr langsam voran, sodass noch viele Tempel und Häuser weiterhin einsturzgefährdet und zerstört sind. Das fällt besonders in den alten Tempelanlagen der Königsstädte auf. Im Zentrum von Kathmandu befinden sich sehr viele kleine und schmale Gassen. Überall herrscht ein reges Treiben, da tagsüber in diesen kleinen Gassen Märkte aufgebaut werden, sich Menschenmassen hindurch zwängen während Mofas mit ihren Hupen auf sich Aufmerksam machen wollen, um sich einen Weg hindurch zu bahnen.
Ich hatte das Glück, dass ein Student der PSRN (Physicians for Social Responsibility Nepal) für mich eine WG in der Nähe des Zentrums von Kathmandu gefunden hatte. Wir waren insgesamt vier Mitbewohnerin einem Haus mit zwei Etagen und dem Highlight - einem eigenen Rooftop. Darüber hinaus hatten wir warmes Wasser und durchgängig Strom, was leider für viele Nepali keine Selbstverständlichkeit ist. Unsere WG setzte sich aus einer Polin, einer Französin, einem Franzosen und mir - einer Deutschen - zusammen. Meine Mitbewohner haben alle in Nepal gearbeitet. Glücklicherweise haben wir uns sehr gut verstanden und haben eine schöne Zeit zusammen verbracht.
Famulatur
Meine Famulatur habe ich im Kathmandu Model Hospital absolviert. Das Krankenhaus lag ca. 45min Fußweg entfernt.In der Regel bin ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren. Da es an den meisten Straßen keine festen Bushaltestellen gibt und man die Busse selber auf sich aufmerksam machen muss, war es am Anfang gar nicht so einfach sich im lokalen Nahverkehr zurecht zu finden. Das größte Problemstellte die Busbeschriftungen in Devanagaridar (nepalesische Schriftzeichen). Glücklicherweise rufen die Busfahrer/Begleiter zusätzlich noch ihr Destinationen auf die Straße, sodass man die Möglichkeit hatte jemanden zu fragen, wohin der Mini-Bus fuhr. Busfahren war immer ein Erlebnis in Nepal, da es häufig nur wenig Platz gab und die Mitfahrer in die Mini-Busse gequetscht wurden, wie die Passagiere in der Metro in Tokyo.
Im Model Hospital war ich am Anfang für ein paar Tage auf der Inneren Medizin. Da die Visiten sehr lang waren und meistens auf Nepali gehalten wurden, binich in die Kinderchirurgie gewechselt. Dort hat es mir richtig gut gefallen. Das Team bestand lediglich aus einem Kinderchirurgen und einer PJ-lerin. Dementsprechend hatten wir - demkleinen Team verdankend -ein sehr persönliches Verhältnis untereinander. Der Kinderchirurg war sehr nett, begeistert von seinem Fach und liebte es sein Wissen weiterzugeben. Er hat mir sehr viel übersetzt und erklärt. Somit hatte ich die Chance viel über das Fach zu lernen. Darüberhinaus hat er mir zusätzlich viel von der nepalesischen Kultur erzählt und beigebracht. Nach der Kinderchirurgie war ich für 15 Tage in der Gynäkologie und Geburtshilfe. Während dieser Zeit war eine Chirurgin aus Tansania für eine Woche zu Besuch, um das dortige Team über die OP-Technicken für „Obstetric Fistula“(Vaginalfisteln) zu schulen. Für mich war es sehr interessant zu sehen, dass das Krankenhaus mit so vielen anderen Ländern vernetzt ist. Zusätzlich habe ich viel über Obstetric Fistulamitnehmen können.
Das Model Hospital ist ein kleines Krankenhaus, dem es leider an vielen Stellen an Equipment fehlt. Anders als in Deutschland schlafen die Patienten/Patientinnen in gemischten Hörsälen mit 15-20 Patienten und die Pflege sowie das Essen werden von den Angehörigen übernommen. Daraus resultierend waren die Schlafsäle tagsüberüberfüllt mit Patienten und Angehörigen. Am schwierigsten war für mich der Umgang mit der Privatsphäre. Auf Grund der räumlichen Begebenheiten, aber auch auf Grund eines anderen Umgangs mit Handys und Kameras wurde die Privatsphäre, aus deutscher Sicht, nicht immer geachtet.
Da der Großteil der Bevölkerung in Nepal nicht krankenversichert ist, müssen die Patienten alles privat finanzieren. Für viele Nepalesen bedeutet es, dass sie sich keinen Arzt leisten können und sich nicht operieren lassen,bzw. erst gar nicht zum Arzt gehen. Ganz anders als in Deutschland gibt es auch fast keine Screening-Programme.
Durch die Famulatur habe ich einen sehr interessanten Einblick in das Gesundheitssystem und die Probleme vor Ort bekommen. Vieles wurde anders als in Deutschland gemacht.Ich habe mich viele Male gefragt, warum wir eigentlich in Deutschland bestimmte Therapien/Prozedere so und nicht in andere Art und Weise machen.
Die Stimmung im Krankenhaus war sehr freundlich. Ich hatte das Gefühl, dass die Ärzte untereinander gut zurechtgekommen sind und der allgemeine Umgangston positiv und freundlich war. Hierarchische Strukturen gab es zwar ähnlich zu Deutschland, allerdings waren sie deutlich schwächer ausgeprägt. Darüber hinauswar zu erkennen, dass die Ärzte gerne und breitwillig den nepalesischen PJ-lern Erklärungen gaben und ihnen mehr Eigenverantwortung z.B. beim Operieren überließen.
Soziales Projekt
Mein soziales Projekt war in zwei Abschnitte geteilt. Im ersten Teil habe ich eine Gruppe von Frauen begleitet, die sich um die medizinische Versorgung der umliegenden Dörfer desKathmandu-Tals kümmert. Grundsätzlich war ich an den meisten Tagen mit einer Krankenschwester unterwegs, die eine ambulante Sprechstunde auf den Dörfern durchgeführt hat. Es gab aber auch andere Tage, an denen ich beispielsweise eine Gynäkologin begleitet habe, die spezielle Sprechstunden für Frauen anbot. An einigen Tagenkonnte ich in Aufklärungskampagnen reinschnuppern, die ebenfalls von dieser Frauengruppe organisiert wurde.Unter anderem wurde auch dabei über die Obstetric Fistula aufgeklärt, die in Nepal bei einigen Geburten weiterhin als Geburtskomplikation auftritt.
Im zweiten Teil meines Projektes bin ich mit einem nepalesischen Freund in ein abgelegenes Dorf gefahren, welches außerhalb des Kathmandu-Tals liegt. Um das Dorf zu erreichen, mussten wir nach einer fünfstündigen Autofahrt, zwei weitere Stunden wandern, da das Dorf,insbesondere während der Monsunzeit nur schwer mit Auto/Bus erreichbar ist.Unsere Aufgabe war das Dorf für ein Schulprojekt aus Dänemark vorzubereiten. Dabei ging es vor allem darum, dass Haus der Freiwilligen vorzubereiten, sowie in dortigen Schulen vorbeizuschauen und alles organisatorische zu klären. Das Dorf wird seit einigen Jahren mit Hilfe eines dänischen Projekts finanziell unterstützt. Regelmäßig kommen Freiwillige aus Dänemark nach Nepal, um tatkräftig in dem Dorf und vor allem innerhalb der Schule zu helfen. In einem so abgelegenen Dorf die Chance zu bekommen, die Dorfbewohner persönlich kennenzulernen sowie die Dorfstrukturen aus erster Hand zu erleben, stellte für mich eine wirklich besondere Erfahrung dar. So konnte ich auch aus erster Hand die Erfahrung mit Problemen mitnehmen, die soziale Projekte mit sich bringen.
Reisen durch Nepal
Zum Abschluss meines Nepal Aufenthaltes, bin ich die letzten 2 Wochen etwas durch Nepal gereist - nach Pokhara in den Himalaya im Norden und nach Süden in den Chitwan Nationalpark. Die Menschen, die ich auf meiner Reise getroffen habe, waren stets freundlich und zuvorkommend und haben mein Nepal Erlebnis zu etwas ganz Besonderem gemacht. Dies liegt mit Sicherheit auch an der Tatsache, dass im Jahr 2016 über 80% weniger Touristen Nepal besucht haben, als noch in den Jahren vor dem Erdbeben. Alles in allem war Nepal eine unglaublich tolle und auch lehrreiche Erfahrung. Es wird mit Sicherheit nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ich nach Nepal gereist bin.
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