Pressemitteilung vom 15. Dezember 2022

Brennstäbeexport Lingen-Russland-Kasachstan - Endkunde ist chinesischer Atomkonzern CGN

Russisches Uranschiff weiter in Rotterdam - "Fragwürdige Geschäfte" mit China

15.12.2022 Wie der "Spiegel" heute berichtet, hat sich der französische Atomkonzern Framatome bei dem Brennelemente-Deal mit Kasachstan auch auf "fragwürdige Geschäfte" mit China eingelassen. Die Brennstäbe aus dem emsländischen Lingen sollen letztlich in chinesischen Atomkraftwerken des staatlichen Atomkonzerns CGN zum Einsatz kommen. Aber die US-Regierung hat schon im Herbst 2021 die Ausfuhr von "radioaktiven Materialien" an CGN wegen des Verdachts auf mögliche militärische Aktivitäten "ausgesetzt". Die zuständigen Bundesministerien Wirtschaft und Auswärtiges wollten sich gegenüber dem "Spiegel" zu dem Atom-Deal nicht äußern.

Der "Spiegel" wirft zu Recht unter anderem die Frage auf, wie dieses weitverzweigte Atomgeschäft mit Russland, Kasachstan und China zur "neuen China-Strategie" der Bundesregierung passt.

Das ist nicht der einzige Vorwurf bei diesem Brennelement-Geschäft von Framatome: Schon im November hatte das für Atomtransporte zuständige Bundesamt BASE angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine erhebliche Bedenken wegen des Transportes der Lingener Brennstäbe quer durch Russland geäußert. Das Bundesumweltministerium hatte den Export jedoch laut BASE freigegeben.

Der russische Uranfrachter "Mikhail Dudin" liegt seit gestern morgen im Rotterdamer Hafen. Anti-Atomkraft-Organisationen aus Deutschland, den Niederlanden, Frankreich und Russland gehen davon aus, dass das Schiff die Lingener Brennstäbe für Kasachstan/China mit an Bord Richtung St. Petersburg nimmt. Zugleich wurde gestern in Lingen im Zuge einer Protest-Mahnwache vor der Brennelementefabrik von Framatome die Ankunft eines LKW mit drei Uranfässern beobachtet. Dabei handelte es sich höchstwahrscheinlich um russisches Uran, das die "Mikhail Dudin" nach Rotterdam mitgebracht hat.

Erstes Ziel der Lingener Brennstäbe ist von St. Petersburg aus die kasachische Brennelementefabrik Ulba in Ust-Kamenogorsk. Der chinesische Atomkonzern CGN ist hier mit 49 % Miteigentümerin. Framatome war am Bau der Brennelementefabrik ebenfalls beteiligt. Zugleich unterhält Kasachstan enge Atombeziehungen mit Russland.

Nach Recherchen der Anti-Atomkraft-Organisationen können in China angesichts des verwendeten Brennelement-Typs z. B. die beiden von Framatomes Mutterkonzern EDF gebauten EPR-Reaktoren in Taishan oder aber die von Framatome vor 30 Jahren gebauten Reaktoren in Daya Bay das Endziel der Brennstäbe sein. Zu Taishan berichteten Medien im vergangenen Jahr von einem Vorfall mit angeblich erhöhter Radioaktivität.

"Während in Wilhelmshaven am neuen LNG-Terminal die angebliche Energieunabhängigkeit von Russland gefeiert wird, vertieft der Atomfrachter "Mikhail Dudin" die atomare Abhängigkeit von Russland. Dass nun auch China von Lingen aus via Russland und Kasachstan beliefert wird, ist mehr als nur fragwürdig. Framatome ignoriert alle Warnsignale, um den Atomstandort Lingen irgendwie zu retten – Stichwort "Standortsicherung". Aber Atomausstieg heißt eben auch, dass die Kernbrennstoffproduktion in Deutschland beendet werden muss. Wir erwarten vom Bundesumweltministerium zeitnah einen entsprechenden Gesetzesentwurf," so Alexander Vent vom Lingener Bündnis AgiEL – Atomkraftgegner:innen im Emsland.

"Es wird dringend Zeit, dass die Bundesregierung und die niedersächsische Landesregierung alle Details zur massiven Ostexpansion von Framatome auf den Tisch legen. Wie soll z. B. das Joint Venture zwischen Framatome und Rosatom zustande kommen? Ich erinnere daran, dass Rosatom das ukrainische AKW Saporischschja besetzt hält. Rosatom ist Teil des russischen Atomwaffen-Komplexes. Offensichtlich werden der Öffentlichkeit viele brisante Informationen einfach vorenthalten. Was hier im Emsland passiert, läuft in die völlig falsche Richtung – anstatt den Atomausstieg zu vollenden, weitet die Bundesregierung die Verwicklung Deutschlands ins internationale Atomgeschäft erheblich aus. Das ist sehr gefährlich," ergänzte Dr. med. Angelika Claußen, Co-Vorsitzende der Internationalen Ärzt*innen zur Verhütung des Atomkriegs IPPNW.

21. Januar: Anti-Atom-Kundgebung in Lingen

Für Samstag, 21. Januar, rufen die Anti-Atom-Organisationen zu einer weiteren Kundgebung in Lingen gegen die Brennelementepläne und die aktuelle Laufzeitverlängerung für das benachbarte Atomkraftwerk Emsland auf.

Kontakte:
Alexander Vent (Bündnis AgiEL): 0157-59690000
Dr. Angelika Claußen (IPPNW): 0172-5882786
Matthias Eickhoff (Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen): 0176-64699023

Weitere Informationen:
atomstadt-lingen.de/aktuelles, www.ippnw.de, www.bbu-online.de, www.sofa-ms.de

Verwendete Quellen:
www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Nukleare_Sicherheit/ausfuhrgenehmigungen_brennelemente_bf.pdf
www.base.bund.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/BASE/DE/2022/transportgenehmigung-brennelemente-lingen.html
www.framatome.com/medias/framatome-fuel-fabrication-technology-licensed-for-new-kazakhstan-manufacturing-facility/
www.world-nuclear-news.org/Articles/Joint-venture-fuel-assembly-plant-opens-in-Kazakhs
world-nuclear-news.org/Articles/First-fuel-from-Ulba-FA-fuel-delivered-to-customer
www.marketscreener.com/quote/stock/NATIONAL-ATOMIC-COMPANY-K-105526310/news/National-Atomic-Kazatomprom-First-delivery-of-nuclear-fuel-from-Kazakhstan-to-NPP-of-the-PRC-42492974/
www.framatome.com/solutions-portfolio/docs/default-source/default-document-library/product-sheets/a0524-p-ge-g-en--afa-3g.pdf
www.reuters.com/world/us-suspends-authority-ship-nuclear-materials-chinas-cgn-2021-10-05/

Herausgeber*innen
Bündnis AgiEL – Atomkraftgegner:innen im Emsland
Réseau Sortir du nucléaire, Frankreich
LAKA Foundation, Amsterdam/Niederlande
Ecodefense, Russland
Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen
Elternverein Restrisiko Emsland
SOFA (Sofortiger Atomausstieg) Münster
Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg
Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU)
IPPNW – Internationale Ärzte*innen für die Verhütung des Atomkriegs / Ärzt*innen in sozialer Verantwortung

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Ansprechpartner*in

Angela Wolff

Angela Wolff
Referentin Atomausstieg, Energiewende und Klima
wolff [at] ippnw.de

Materialien

Öffentliches Fachgespräch im Bundestag zum Thema „Austausch über die Atomkatastrophen in Tschernobyl und Fukushima sowie die aktuelle Situation in Saporischschja“ vom 15. März 2023

Statement von Dr. Angelika Claußen "Atomkraft ist eine Hochrisikotechnologie – zivil wie militärisch"

Titelfoto: Stephi Rosen
IPPNW-Forum 174: Der unvollendete Ausstieg: Wie geht es weiter für die Anti-Atom-Bewegung?
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IPPNW-Information: Radioaktive „Niedrigstrahlung“. Ein Blick auf die Fakten (PDF)

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Risiken und Nebenwirkungen der Atomenergie
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