Sicherheitsrisiko Schwarz-Gelb

Wie die CDU den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke als Ausstieg inszeniert

10.03.2010 Am 9. Mai 2010 wird in Nordrhein-Westfalen gewählt. Verliert Schwarz-Gelb die Wahl, droht die bequeme Abstimmungs-Mehrheit im Bundesrat verloren zu gehen. Wahlkampftaktik der CDU ist daher, einen angeblichen "Atomausstieg" zu inszenieren, der zu nichts verpflichtet.

Dabei wird die Tatsache unterschlagen, dass in NRW ein Drittel aller jährlichen CO2-Emissionen entstehen (ca. 300 Mio Tonnen CO2). Verantwortlich sind die vielen Kohle- und Braunkohlekraftwerke von RWE und Eon. Ein ambitionierter Klimaschutzplan seitens Schwarz-Gelb fehlt.

Rot-Grün hatte es der CDU vorgemacht. Ein langjährig garantierter Weiterbetrieb der Atomkraftwerke erhielt das Etikett "Atomausstieg". Mit diesem Begriff wurden in der Bevölkerung Hoffnungen geschürt. Die Aussicht auf eine "kleine" Stilllegung verzichtbarer Anlagen (wie z.B. bisher Obrigheim und Stade) erweckte den Anschein einer "Ausstiegs-Realität". Der Verlust dieser beiden Mini-Atomkraftwerke richtete bei der Atomindustrie keinen allzu großen ökonomischen Schaden an.

Die Kommunikationsstrategie von Union und FDP

Entscheidend im Wahlkampf ist die Kommunikationsstrategie. Es gibt auf der einen Seite den "guten" Umweltminister Norbert Röttgen, der für die "überraschende" Aufregung und die Aussicht auf einen früheren "Ausstieg" sorgt - und damit im Lager der atomenergie-kritischen Wähler die Stimmen fangen soll.

Auf der anderen Seite gibt es die "entrüstet aufschreienden" Landesfürsten und gelben Spitzenpolitiker, die für die Stimmen der atomenergie-gläubigen Wähler "gerade stehen". Über dem Ganzen schwebt eine "starke, aber auch bedächtig abwägende" Kanzlerin Angela Merkel (denn eine starke Führungsperson wünscht sich ja jede(r) Wähler(in)).

Damit gelingt die scheinbare Quadratur des Kreises: Die Aussicht auf reale Laufzeitverlängerung, die Hoffnung auf "Atomausstieg" und die bedächtig abwägende Führung birgt die Chance eines NRW-Wahlsieges.

Schon wieder gehen die Lichter angeblich aus ...

Angesichts der Erfolge der Proteste gegen neue Kohlekraftwerke - immerhin sagten die Energiekonzerne in den letzten 12 Monaten sieben Großprojekte in Deutschland ab - redet die industrie-abhängige Deutsche Energieagentur flankierend wieder von einer drohenden Stromlücke.

Die CDU will den Bau der Kohlekraftwerke in Datteln und Herne, beide liegen in Nordrhein-Westfalen, mit allen Mitteln durchboxen. Ihre Argumentation: Atomausstieg und Ausstieg aus der Kohlekraft könnten nicht gleichzeitig durchgesetzt werden.

Kohle & Atom blockieren Erneuerbare Energie

Es geht im Stromsektor im Grunde um eine Auseinandersetzung zwischen den Stromproduzenten aus fossiler Energie und Erneuerbaren Energien: Erreicht beispielsweise die naturgemäß schwankende Einspeisung von Ökostrom ins Netz ein bestimmtes Niveau, braucht das Versorgungssystem zur Stabilisierung Kraftwerke, die Extreme von Starkwinden oder Flauten bei der Windkraft abfedern können. Die gigantischen Atom- und Kohlemeiler sind dazu nicht in der Lage. Sie müssen aus Sicherheitsgründen oder wegen der Wirtschaftlichkeit stets nahe der Volllast fahren.

Spätestens wenn die Marke von 30 Prozent Erneuerbare im Netz überschritten wird, gibt es ein gravierendes systemisches Problem mit den alten Großkraftwerken. Eon und RWE haben dies bei einer Anhörung in Großbritannien selbst zugegeben.

Lassen wir uns nicht täuschen

Lassen wir uns nicht täuschen, die harten Fakten der Atomenergienutzung bleiben: Jeder neue Tag AKW-Betrieb bringt den Konzernen viel Geld. Es geht dabei um rund 1 Million Euro Gewinn pro Anlage und Tag.

Jeder neue Tag AKW-Betrieb produziert neuen Atom-Müll in Deutschland. Es geht dabei um rund 70 Kilogramm Brennelemente-Müll pro Anlage und Tag, den wir unseren nachkommenden Generationen aufbürden. Das sind mit 17 deutschen Atomkraftwerksblöcken über 1.100 Kilo pro Tag und über 400.000 Kilo pro Jahr.

Jeder neue Tag AKW-Betrieb verlängert die Gefahr für Kleinkinder, an Krebs und Leukämie zu erkranken.

Jeder neue Tag AKW-Betrieb bedeutet neues Pannenrisiko für die Alt-Meiler. Es geht dabei um die Lebensgrundlagen und die Gesundheit unzähliger Menschen, die bei einer Reaktor-Katastrophe betroffen sind.

Was können wir tun?

Wir rufen dazu auf, noch vor der NRW-Wahl an den Protest-Aktionen der Anti-Atom-Bewegung im Norden und Süden der Bundesrepublik teilzunehmen.

Im Norden der Republik ist am 24. April 2010 eine große Aktions- und Menschenkette geplant. Zwischen den Atomkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel und quer durch Hamburg soll auf ca. 120 Kilometern mit einem breiten Bündnis ein starkes Zeichen für das Ende der Atomkraft und eine Energiewende gesetzt werden.

Weiterhin soll am 21. April 2010 am AKW Neckarwestheim und am 24. April 2010 am Zwischenlager Ahaus demonstriert werden. Das Atomkraftwerk Biblis soll mit einer Menschenkette umzingelt werden.

Von Angelika Claußen und Reinhold Thiel

 

 

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Ansprechpartner


Patrick Schukalla
Referent Atomausstieg, Energiewende und Klima
Email: schukalla[at]ippnw.de

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