Immer dann, wenn Einübung ärztlicher Tätigkeit im Rahmen klinischer Praktika im Duett mit sozialem und politischem Engagement auftritt, erinnert sich eine stetig wachsende, verschworene Gruppe von Medizinstudenten und jungen Ärzten in Deutschland an ihre Zeit bei „famulieren und engagieren“. So kam es, dass sich nach Fulda 2009 auch zum diesjährigen Alumnitreffen von IPPNW „famulieren&engagieren“ am 12.- 14.Oktober 2012 wieder eine stattliche Anzahl an Medizinstudierenden und jungen Ärzten mit Kind und Kegel in der Jugendherberge Hannover eingefunden hatte. Ulla Gorges, die seit mehr als einem Jahrzehnt für die Organisation von „famulieren&engagieren“ verantwortlich zeichnet, hatte gemeinsam mit den Alumnis ein Rahmenprogramm um Kernthemen, wie „Israel-Iran-Konflikt“ und „Globalisierung und Gesundheit“ erarbeitet und Referenten dazu eingeladen.
Das Treffen der 48 Ehemaligen begann traditionell am Freitagabend mit einem gemeinsamen Abendessen, bei dem die Wiedersehensfreude mit vielen bekannten Gesichtern groß war. Bei fröhlichem Miteinander wurden noch bis tief in die Nacht hinein Neuigkeiten und manche Anekdote aus der gemeinsamen Zeit bei „famulieren&engagieren“ ausgetauscht.
Nach einem herbstlichen Morgenspaziergang am Ufer des Maschsees bildeten Diskussionen in kleinen Länderregionsgruppen den inhaltlichen Auftakt des Wochenendseminars. Hierbei schilderten die Alumnis kondensiert ihre Erfahrungen in Famulatur und sozialen Projekten um länderspezifische und länderübergreifende Probleme zu identifizieren und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. So kristallisierte sich in der sogenannten „Balkangruppe“ der Länder Bosnien, Mazedonien, Serbien und Rumänien schnell die Problematik der Roma als verfolgter und sozial benachteiligter Minderheit als gemeinsames Thema heraus. Im intensiven Austausch über die EU-Migrationspolitik stellten die Diskussionsteilnehmer den Bezug zu konkreten Problemstellungen für Zuwanderer und den damit verbundenen gesellschaftlichen Herausforderungen in Deutschland her. Die Runde profitierte dabei deutlich davon, dass sich ihre Teilnehmer durch Aufenthalte mit „f&e“ in den Balkanländern einen großen Erfahrungsschatz zu diesem Problemkreis angeeignet hatten. Schilderungen, wie von Torsten Ebeling über die miserablen Lebensbedingungen in der Roma-Stadt Shutka in Mazedonien, oder Berichte Michael Klosinski‘s über Vorurteile gegenüber Romapatientinnen im ärztlichen Alltag in Rumänien wurde mit großem Interesse aufgenommen und diskutiert. In der Auswertung wurde unterstrichen, dass es zu den originären Aufgaben bei „famulieren&engagieren“ zählt, sich vor Ort über gesellschaftliche Verhältnisse zu informieren.
Im Anschluss daran begrüßten die Gruppe mit dem langjährigen Leiter der Heinrich- Böll-Stiftung in Tel Aviv, Jörn Böhme, einen ausgewiesenen Nahost-Experten, der in seiner Keynote nüchtern und präzise die Dilemmata der derzeitigen Krisenherde im Nahen und Mittleren Osten skizzierte. In der kontrovers geführten Debatte mit Böhme bestand Konsens darüber, dass militärische Lösungen weder für Israel/Palästina, noch für Iran oder Syrien eine Option sind. Mit Blick auf den IPPNW-Vorschlag der Einrichtung einer Massenvernichtungswaffen-freien Zone im Rahmen der KSZMNO –Konferenz zeigte sich Böhme skeptisch, betonte jedoch vor dem Hintergrund sich steig ändernder Rahmenbedingungen die Wichtigkeit, Friedenskonzepte langfristig zu denken und auch dann weiterzuverfolgen, wenn Erfolg auf kurze Sicht nicht zu erwarten sei.
Den Abend liessen die Alumnis in geselliger Runde mit einer Präsentation von Reisefotos aus mehr als einem Jahrzehnt ausklingen, was zweifellos zu einem der Höhepunkt des Tages geriet.
Mit einer intensiven Evaluierung des „famulieren&engagieren“ –Länderpools begann für die Gruppe der abschliessende Sonntag. Die Alumnis trugen dabei zahlreiche Anregungen zur Weiterentwicklung des Programmes zusammen, betonten Stärken und Schwächen einzelner Projektländer, sowie die Bedeutung der Reaktivierung von Projekten, wie z.B. Boston (IPPNW Central Office) und Diyarbakir. Ulla Gorges unterstrich in ihrem Resümee die Wichtigkeit von „famulieren&engagieren“ als Idee, welche vom Engagement seiner Teilnehmer lebe, die von Generation zu Generation ein dichtes Netz des freundschaftlichen Austauschs und der Zusammenarbeit gewebt hätten und nahm ihrerseits den herzlichen Dank der Alumnis für ihr bisheriges Engagement als unermüdliche Organisatorin und Mentorin entgegen.
Der Vortrag „Gesundheit für alle“ von Kirsten Schubert, Medico-Referentin für Gesundheit, bildete den abschliessenden thematischen Schwerpunkt und diente als Einführung zur Diskussion nationaler und internationaler Strukturprobleme der Gesundheitsversorgung anhand der sozialen Determinanten für Gesundheit der WHO. Am Ende zweier ereignisreicher Tage des intensiven Austauschs und der Diskussion mit alten Freunden war klarer denn je, dass sich die Alumnis spätestens auf dem nächsten Treffen in drei Jahren wiedersehen würden.
Roland Thele
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