ATOM-Energie-Newsletter April 2015
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie schon im vergangenen Newsletter angekündigt, haben wir nach 5 Jahren monatlicher Berichterstattung über die Atomkatastrophe von Fukushima beschlossen, das Spektrum unseres Newsletters zu erweitern und zusätzlich über weitere atom- und energiepolitische Themen zu berichten. Der Newsletter wird daher künftig ATOM-Energie-Newsletter heißen. Die Silbentrennung ist Absicht: wir fordern als IPPNW nicht nur ein Ende der Atomenergie sondern eine globale Energiewende hin zu 100% sauberer, friedlicher und regenerierbarer Energieerzeugung in Bürgerhand, gekoppelt mit einem effizienten, bewussten und sparsamen Umgang mit Energie. Dies sehen wir nicht nur als Beitrag zum Umweltschutz und der öffentlichen Gesundheit, aber auch als friedenspolitische Maßnahme, um Ressourcenkriege zu verhindern.
Anlässlich des Jahrestages, beginnen wir den Newsletter mit einem Überblick über die gesundheitlichen Folgen der Atomkatastrophe von Tschernobyl und stellen die IPPNW Publikation „30 Jahre Leben mit Tschernobyl – 5 Jahre Leben mit Fukushima vor“.
Die Lektion der Atomkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima könnte deutlicher nicht sein: der sofortiger Ausstieg aus der gefährlichen Atomenergie. In Deutschland gibt es in diesem Punkt mittlerweile einen breiten gesellschaftlichen Konsens. Es zeigt sich aber, dass selbst in Deutschland der Atomausstieg unvollständig ist: Nach wie vor produzieren in Deutschland zwei Atomfabriken Kernbrennstoff und Brennelemente für Atomkraftwerke. Die Anti-Atom-Bewegung in Deutschland rückt daher die Forderung in den Mittelpunkt, endlich auch den Ausstieg aus der Kernbrennstoffproduktion zu vollziehen.
Hinzu kommt, dass der Abriss von stillgelegten Atomkraftwerke erneut zu Erkrankungen führen kann: Denn es ist geplant, radioaktives Abrissmaterial „freizumessen“ und in die reguläre Wertstoffverwertung einzuspeisen. Ärztinnen und Ärzte der IPPNW halten das für verantwortungslos und wollen die Bevölkerung und Politik hierüber informieren.
Abschließend stellen wir noch einen wichtigen Beitrag unseres diesjährigen Atomkongresses vor – die Folgen von Radioaktivität auf die Tier- und Pflanzenwelt in Tschernobyl und Fukushima. Aktuelle Forschungen zeigen, dass die Strahlendefekte mit zunehmender Nähe zu den Katastrophenmeilern zunehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Henrik Paulitz und Dr. Alex Rosen
Gesundheitliche Folgen von Tschernobyl

Vor 30 Jahren, am 26. April 1986, fand die Mär von der „sicheren Atomkraft“ mit dem Super-GAU von Tschernobyl ein abruptes Ende. Millionen Menschen wurden zu Opfern radioaktiver Verstrahlung. Riesige Territorien wurden unbewohnbar. Die radioaktive Wolke zog um die ganze Erde und in den Köpfen zahlloser Menschen wuchs die Erkenntnis von den Gefahren der Atomenergienutzung. Auch in Deutschland erkrankten und starben Menschen aufgrund der mit Nahrung und Atemluft in den Körper aufgenommenen radioaktiven Partikeln.
Weiterlesen:
- Angelika Claußen: 30 Jahre Leben mit Tschernobyl - Überblick über die gesundheitlichen Folgen der Atomkatastrophe
- IPPNW-Bericht “Gesundheitliche Folgen der Atomkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima“
- Neue Studie: Gesundheitsfolgen von Tschernobyl und Fukushima
- „Maulkorb für die WHO“ (Interview mit Alex Rosen)
Der Atomausstieg ist unvollständig

Die Urananreicherungsfabrik in Gronau und die nur 27 km davon entfernte Brennelementefabrik in Lingen produzieren Nuklearbrennstoff vorwiegend für den Export. Die beiden Fabriken wurden in den deutschen Atomausstiegsbeschluss nicht einbezogen. Dieser Skandal wird zwar von zahlreichen lokalen und regionalen Bürgerinitiativen thematisiert, von der bundesweiten Antiatombewegung jedoch bislang kaum wahrgenommen.
Weiterlesen:
Freigabe radioaktiven Materials beim AKW-Abriss

Bei weltweit ca. 440 betriebenen AKWs werden allein in Europa bis zum Jahr 2030 über 160 AKWs abgeschaltet (Statistica, 02/16). Zurück bleibt ein giftiges nukleares Erbe, das jahrzehntelang von der Atomwirtschaft und der Politik bagatellisiert wurde. Neben der Frage der sogenannten „Endlagerung“ steht auch der Umgang mit dem Abriss der stillgelegten Atomkraftwerke im Vordergrund. Hierbei fallen neben stark strahlenden Materialien auch große Mengen an Stahl- und Betonabfällen an, die geringfügig radioaktiv kontaminiert sind. Werden dabei bestimmte Grenzwerte unterschritten, dann sollen diese Materialien überwiegend in die normalen Abfallverwertung eingespeist werden. Die gesundheitlichen Folgen für die Bevölkerung sind dabei nicht absehbar – denn auch eine geringfügige zusätzliche Strahlenbelastung bedeutet ein gesundheitliches Risiko.
Weiterlesen:
Folgen der Atomkatastrophen für die Natur

Wenn große Mengen radioaktiver Substanzen in die Biosphäre gelangen, wie vor 30 Jahren in Tschernobyl und vor 5 Jahren in Fukushima, kann man Menschen evakuieren. Die in der freien Natur lebenden Tiere und Pflanzen müssen jedoch da bleiben, wo sie sind. Von Strahlen verursachte Veränderungen sehen wir bei Tieren und Pflanzen in der Regel früher als bei Menschen. So kann an der japanischen Momi-Tanne seit dem Frühjahr 2012 beobachtet werden, dass die Haupttriebe nicht wie üblich gerade weiterwachsen, sondern horizontale oder vertikale Gabelungen aufweisen. Je näher die Tannen an den havarierten Reaktoren stehen, desto zahlreicher und ausgeprägter sind diese Defekte, so dass offenbar eine Dosis-Wirkungsbeziehung besteht. Auch in der Tierwelt, bei ortsständigen Schmetterlingen, Zikaden, Vögeln, Rindern und wilden Affen, lassen sich in Feldversuchen Aufwirkungen der Strahlung zeigen. Auf dem IPPNW-Kongress „5 Jahre Leben mit Fukushima – 30 Jahre Leben mit Tschernobyl“ berichtete einer der weltweit führende Wissenschaftler auf dem Gebiet von Strahlenschäden der nicht-menschlichen Biosphäre, Prof. Timothy Mousseau, über den aktuellen Forschungsstand.
Weiterlesen: